ein Hinweis auf neue Möglichkeiten wirkte. Es war ja auch ein vorwiegend historischer
Gesichtspunkt, der die Anordnung leitete.
Außer dem großen Vergnügen, das die Betrachtung vieler tüchtiger und wertvoller
künstlerischer Arbeiten bereitet, bietet das Nebeneinander zeitlich auseinander liegender
Werke stets auch eine Probe auf die Stichhaltigkeit der Wertschätzung, welche einzelne
Künstler genießen. Gerade die Porträtmalerei fördert ja nicht immer die besten Kräfte.
Weite Kreise f und die vom Schicksal am meisten Begünstigten püegen darunter zu
sein - ziehen bei ihren Porträten die äußerliche Geschicklichkeit des Künstlers seinem
tiefdringenden Ernst vor. Darum gibt es auch so ungemein viele schwache Bildnisse. Die
Nachwelt besitzt nicht die Eitelkeit der Besteller. Sie mißt mit anderem Maß. Sie läßt die
zahlreichen und gefälligen Ruhmredner in der Regel fallen, die der Nachwelt nichts zu
sagen haben.
So bot auch diese Ausstellung ein wertvollesNebeneinander gefallener Größen und
auferstandener Stiefkinder des Schicksals. Der Kunstwert des Gebotenen entschied bei der
Wahl in erster Linie. Dann war die Unmittelbarkeit und Überzeugungsfähigkeit der
Darstellung zunächst maßgebend. Die Individualität von Persönlichkeiten eindrucksvoll zu
verkörpern, gelingt auch den Besten nicht immer.
Viele der ausgestellten Bilder enthielten diesen seltenen Zusammenklang. Und es
waren gerade jene Epochen ohne äußeren Glanz, welche am tiefsten aus der Seele zu
schöpfen und am stärksten zur Seele zu sprechen vermochten.
Daß einer solchen Vorführung ein tiefer volkbildnerischer Wert innewohnt, konnte
man an der starken Wirkung beurteilen, die sie ausübte. Trotz ihres anspruchslosen Auf-
tretens, trotz ungünstiger Räume, die sonst andern Zwecken zu dienen haben, vermochte
sie eine starke Anziehungskraft zu bilden. Dem Kunstwert der Bilder war dies wohl ebenso
zuzuschreiben wie dem Zeitbild, das sie vermittelten.
IE NEUE KUNST IN DER GALERIE MIETHICE. Eine anregende
Einführung in junge und jüngste Bestrebungen auf dem Gebiete der Malerei wird
derzeit von der Leitung der Galerie Miethke unternommen.
Sie bildet eine interessante Ergänzung zur Ausstellung der Futuristen, welche kürz-
lich in Wien zu sehen war. Diesmal sind Kubisten, Expressionisten und andere Verfechter
neuer Theorien, neuer Impulse vereinigt, die in Frankreich, Deutschland, Österreich neue
Wege einschlagen.
Mit einem berühmten Manet (Bar in den Folies bergeres) und einem prächtigen
Renoir wird dem Impressionismus als Ausgangspunkt gehuldigt. An diese Werke schließen
sich nun bekannte vortreffliche Arbeiten Van Goghs und Cezannes, welche bereits weit
über die Grenzen der reinen und intensiven Naturbeobachtung hinausgehen und (ebenso
wie jene des nicht vertretenen Gauguin) zu einer Synthese schreiten.
Es sind reife Werke, die am besten kennzeichnen, was die nachimpressionistische
Zeit will, der mit der Wiedergabe des Natureindruckes allein, mit dem bloßen Naturaus-
schnitt nicht gedient ist.
Insbesondere die Farbenschönheit und Kraft Van Goghs, die doch eine so weit-
gehende Vereinfachung des Geschauten, eine so starke Konzentration zeigt, leuchtet ein-
dringlich hervor. An diese Werke reichen wohl die meisten Arbeiten der jüngeren Gene-
ration nicht heran, obwohl manche unter ihnen intensives Naturemplinden und sichere
Ausdrucksfähigkeit verraten. Die vom Kubismus ausgehenden Stilleben befriedigen wegen
der weitgehenden Vernachlässigung der Formbildung wenig, noch weniger die Visionen,
deren Verständnis nicht ohne komplizierte Aufklärungen denkbar ist. '
Dagegen sind Landschaüen, Porträte, Aktstudien vorhanden, bei deren Betrachtung
man an die Umkehrung des Zolaschen Wortes denken muß, das vom Kunstwerk verlangt,
es soll ein Stück Natur sein, wie es durch ein Temperament geschaut wird. Hier fühlt
man Temperamente, die ihren Ausdruck suchen, indem sie in die Natur Einblick gewinnen.