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den unbestrittenen Vorrang vor allen
andern Gesteinsarten einräumte und
zu regem Export verlockte. Aus diesen
Vorzügen des roten Ammonitenkalkes
erwuchs aber ein schwerwiegender
Nachteil, die im Verhältnis zu andern
Steinen erheblich schwierigere Ver-
arbeitung infolge der Härte und Spröde
seines meist feinkristallinischen Ge-
füges. Die bildnerisch-künstlerische
Verarbeitung setzte eine Vertrautheit
mit der Rohbehandlung des Materials
voraus, wie sie in erster Linie und in
bester Schule der Steinbruch bei der
Herstellung der Werkstücke lehrte. So
wird man gerade in der Frühzeit selb-
ständiger tiguraler Marmorplastik, im
XIV. und in der ersten Hälfte des
XV. Jahrhunderts vor allem mit Salz-
burg, Adnet und Hallein als Ent-
stehungsorten zu rechnen haben und
namentlich da, wo wie im Chiemgau
durch die Diözesanzugehörigkeit be-
sonders nahe Beziehungen gegeben waren. Der heutige Bestand Salzburgs
an sepulkraler Plastik, zumal an ligürlicher, aus der ersten Hälfte des
XV. Jahrhunderts bietet, wenn auch vielleicht an Zahl, so doch keineswegs
an künstlerischen Werten ein soreiches Bild wie der Chiemgau. Was
die Klosterbezirke von Nonnberg und St. Peter bergen, sind größtenteils
Wappensteine von meist recht handwerklichem Gepräge, die zwar eine
gewisse technische Routine und eine gewisse Eleganz in der Anordnung und
in Zeichnung und Schnitt der I-Ielmdecken verraten, aber, wie ich schon
andernorts darlegte, Gedanken an eine große künstlerische Vergangenheit
Salzburgs im XV. Jahrhundert kaum wachzurufen vermögen." Dennoch
müssen wir, selbst wenn wir von Salzburg als Sitz einer bedeutenden
Malerschule ganz absehen, annehmen, daß damals in der Steinmetzenstadt
neben dem Handwerk auch die Kunst der Marmorbildnerei blühte. Aber nur
eine einzige wirklich bedeutende tigurale Marrnorplastik, die Grabplatte
des heiligen Vitalis in St. Peter, scheint diese Vermutung zu bestätigen.
Unzweifelhaft wird man aber auch damit zu rechnen haben, daß gar viel
des Guten im Laufe der Jahrhunderte untergegangen ist oder, wie wir
schon bei dem Chiemgau annahmen, von allem Anfang an als Export
nach auswärts ging. Für das erstere scheint besonders der Umstand zu
Abb. 18. Vom Grabstein der Adelhaid von Sulzbach
im Kloster Baurnburg
"i Philipp M. Halm, Hans Valkenauer und die Salzburger Mannorplastik in „Kunst und Kunsthandwerk",
XIV (xgtx), S. x84.