einzelnen Arbeiten; im Gegenteile, bei oberflächlicher Betrachtung ist es zunächst kaum
möglich, mehr als einige, allerdings recht deutliche, Typen zu erkennen, deren allgemeinen
Eindruck man nicht so leicht mit andern verwechseln wird. Erst bei genauem Zusehen
gewahrt man, welche fast endlosen Variationen innerhalb der einzelnen Hauptformen
möglich sind.
Es ist begreiflich, daß diese östliche Volkskunst im ganzen noch viel, viel primitiver
ist, als es die alte Volkskunst der mittel- und westeuropäischen Völker selbst vor Jahr-
hunderten war. Nicht, daß nicht auch dort im Osten allerlei fremde Einflüsse sich geltend
gemacht hätten - auch Kolbenheyer hebt sie mit Sachkenntnis hervor, man vergleiche
zum Beispiele das Wolkenband mit den Strahlen auf Tafel 13, Nr. 19 k aber die Einwir-
kungen waren doch anscheinend immer nur einzelne Tropfen, nicht gewaltige Fluten, wie
die großen Stilbewegungen, die in Mittel- und Westeuropa auch in der Volkskunst eine
Gotik, Renaissance, Barocke und die weitere Entwicklung erkennbar gemacht haben.
Es waren immer Tropfen, die in dem großen Meer des Allgemein-Menschlichen
dieser östlichen Völker untergegangen sind. Aber immerhin haben diese Völker als großes
Ganzes ein bestimmtes und von andern unterscheidbares Empfinden. Nach Kolbenheyer,
der sich mit Recht beschränkt (und zwar auf Rumänisches, Ruthenisches und Huzulisches)
kann man sogar die Unterschiede dieser Stämme stark nachempfinden; sie in Worte zu
fassen, wäre freilich schwerer.
Im ganzen fallt außer der eigentümlichen Farbenzusammenstellung die Herrschaft
der geometrischen, besonders auch der Diagonal- und Zickzackanordnung, auf.
Die Stickereien scheinen bis auf verschwindende Ausnahmen nach gezähltem Faden
gearbeitet zu sein, was jedenfalls mit der primitiven Lebensweise und dem Arbeiten ohne
Rahmen zusammenhängt.
Die eigentümlicheStickweise in parallelen Stichlagen ist schon in spätantik-ägyptischen
Arbeiten nachzuweisen und kann von der Bäuerin oder Hirtin wohl selbst beim Stehen
oder Gehen ausgeführt werden.
Daß manche der Muster, wie Kolbenheyer mit Riegl, Grosch, Haberlandt und andern
annimmt, bis in die Antike zurückreichen, ist wohl kaum zu bezweifeln. Anderes zeigt
wieder den Eintiuß des Orients und der europäischen Kunst. Das Werk bietet hier auch
dem Kunsthistoriker manche Anregung. vielleicht sogar dem Historiker im allgemeinen,
da manche Kulturzusammenhänge recht sichtbar hervortreten.
Kolbenheyer weiß mit seinen kurzen und vorurteilsfreien geographischen, geschicht-
lichen und volkskundlichen Notizen jedenfalls gut die Richtung zu geben. Auch erläutert
er Verwendung und Technik der Arbeiten, Färbematerial und anderes mit großer
Genauigkeit.
Leider scheint unsere Zeit auch in der Bukowina der Erhaltung des echten alten
Hausfleißes nicht günstig zu sein. Hoffentlich wirkt Kolbenheyers Werk mit, über eine
Periode der Zerstörung hinweg die Zeugen einer großen Entwicklung zu erhalten, um sie
der Zukunft nutzbar zu machen. Aber auch für die Gegenwart und auch für unsere und
andere Länder ist schon viel praktisch Verwertbares zu gewinnen, wenn wir diese reiche
Fülle der Eindrücke in Ruhe und Stimmung auf uns einwirken lassen. Und deshalb glauben
wir nicht nur die Gelehrten und Kunstfreunde, sondern auch alle Stickereischulen und
Unternehmungen auf dieses Werk eindringlich hinweisen zu sollen. Sie werden sich dem
hingebungsvollen Verfasser und der Staats- und Landesverwaltung, die das Zustande-
kommen des Werkes ermöglichten, gewiß zu Dank verpliichtet fühlen. M. Dreger
ETZENDORF, MARGARETENHÖI-IE BEI ESSEN." Das Gelände
der Margarete Krupp-Stiftung macht ungefähr lfm des ganzen Gebietes von Groß-
Essen aus und liegt an der Peripherie dieser Stadt. Der Architekt G. Metzendorf plante auf
diesem Terrain mit Anpassung an die Höhenkurven dieses bewegten Geländes eine
' Verlag Alex. Koch, Darmstadt.