aufstapelt, sondern wie die Revuen up to date illustrativ und vor allem anschaulich bequem
wirken will, erfüllte sich hier konsequent. Hier gibt's nicht nur das Bild sondern das Tableau
vivant, nicht nur die im Rahmen gestellte Szene der Wachsiigurinen, hier spielt Bewegung
und Darstellung: das Panoptikum entwickelte sich zum Miniaturtheater. Akteure und
Aktricen, Männlein und Fräulein von Fleisch und Blut führen auf sechs zierlichen Bühnen
Mode- und Kulturausschnitte aus dem XIX. Jahrhundert vor in echtem Interieur- und
Landschaftsrahmen der Zeit. Und Ernst Stern, der geschmack- und kenntnisreiche
dekorative Instrumentator der Reinhardt-Werke, inszenierte diesen Reigen du temps passe
unter dem Titel: „Anno dazumal".
Ein Stück Empire x8r3 als Vorklang zwischen Panneaux bleu royal und weißen
Möbeln mit antikisierenden Goldemblemen. Die stille Kerzenschale schwebt über dem
Raum und edel sakral lehnt die Harfe an der Wand. Die Damen tragen hoch gegürtete
Kleider in TaHet, Musselin, Kaschmir und darüber eine Redingote oder das Spenzer-
jäckchen aus Seide und Samt. Die Epoche ist voll kriegerischer Fanfaren, nur der
Soldat gilt, so sind auch die Kavaliere dieses Musiksalons Offiziere, und die Damen betonen
ihre militärfromme Gesinnung durch Nuancen, die der Uniform entlehnt sind, durch
Chapeaux a la casque, Tschakos und römische Helmformen aus Samt mit Federn und
Quasten garniert.
Zwanzig Iahre später, das zeigt das zweite Bild, ist die Welt nicht mehr heroisch,
sondern biedermeierlich gestimmt. Das „FrauenzimmeW ziert sich jetzt gespreizig in den
voluminösen aufgekollerten Roben mit den dickplustrig ausgestoptten Schultern und Gigot-
Ärmeln und dem breit abgesteiften Rock. Die künstliche Polstermode - der Schneider
wird zum Tapezier - erstreckt sich auch auf die Herren der Schöpfung. Die Fracks
bauschen sich mit ihren kurzen Vorderteilen (schottisch belegt) hochbusig, und die Hüften
sind wattiert, um die Taille schmal erscheinen zu lassen. Man trägt lange graue Hosen,
Pantalons; die gleichmacherische Revolution hat die aristokratische Kniehose, die Culotte,
fortgeräumt und der wilde Sans-Culotte ward nun zu einem zahm-normalen.
So angetan tanzt man Allemanden und Ecossaisen.
Eine ländliche Idylle tut sich dann auf mit dem Dorfgasthaus unter Bäumen und
dem großen behäbigen Reisewagen. Zwei Paare schlüpfen in den verglasten auf schweren
Federn schaukelnden Kutschkasten, die Dämchen in schottisch gemusterten engen Taillen
über dem breiten Reifrock und den großen Scheuklappenhiiten; die Herren in den faltigen
kragenreichen Mänteln, die nach dem englischen Schauspieler Garrick oder nach dem
russischen General „Diebitsch" heißen. Eine Eislaufszene um x85o bringt die bizarren
Variationen der oben ganz engen, unten weit ausfallenden, mit Frisuren und Volants
zärtlich ausstaffierten Ärmel a la Pagode und ä Ylillephant zu den dick wattierten pelz-
besetzten Röcken, und sehr reizvoll und wert einer Wiederkehr in unserer dem Altmodischen
der Tracht so liebevoll zugewandten Zeit zeigt sich der capeartige Mantel der Herren mit
den tief eingeschnittenen Ärmeln, Pelzbesatz und Verschnürung. Er wäre ein begabtes
Frack-Vetement, nuancierter als die jetzt lancierte Pelerine. Das ist 1850.
Zehn Jahre später treffen wir an der Kranzler-Ecke, wo die Gardeoffiziere die langen
Beine in den weißen strammen Paradehosen nach geheiligter Tradition über das Geländer
strecken, die Berlinerin in der Eugenie-Krinoline, mit dem flachen Tellerhütchen und dem
Knickerschirmchen, so wie verblaßte Daguerrotypien Pauline Lucca mit Bismarck in
Gastein zeigen.
Und wieder fünfzehn ]ahre später stolziert die Dame ä la mode mit dem von der
Rockkaskade überwallten Höcker a derriere daher, dem berühmten Cul de Paris. Und
wenn es früher ein Modenetikett a Plillephant gab, so kann man diese Variante, „au
chameau" nennen. t Ä,
k
Die Mode von heut, wie sie in dieser Ausstellung durch Mannequins an Pariser
Modellen und durch die neuen bei Gerson ausgestellten Schöpfungen der Wiener Werk-