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NEUE ARBEITEN VON ASHBEE 50' VON
A. S. LEVETUS-WIEN S0
unserer Zeitschrift haben wir bereits wiederholt
' Arbeiten des englischen Architekten C. R. Ashbee
besprochen und reproduziert und die Art sowie
die Bedeutung seines Schaffens gewürdigt. Oft
erwähnt wurde auch die bemerkenswerte Tat-
sache, daß das Heim der Kunstgewerbegen0ssen-
schaft sich zurzeit nicht mehr in London, sondern
in Chippen Campden in Gloucestershire befindet,
wo ihre Mitglieder, wenn sie nicht gerade mit ihrer
kunstgewerblichen Arbeit beschäftigt sind, ein
einfaches Landleben führen, pßügend, säend und erntend, wie es eben die
Jahreszeit verlangt. Diese Kunsthandwerker haben die hier abgebildeten
Arbeiten nach Ashbees Entwurf ausgeführt und sind in der Behandlung des
Materials auf die feinsten Intentionen des Meisters eingegangen. Zwischen dem
entwerfenden Künstler und dem ausführenden Kunsthandwerker herrschte
vollkommene Harmonie.
Bei Betrachtung solcher Arbeiten scheint es schwer begreiflich, warum
das englische Kunstgewerbe gegenwärtig keinen größeren Aufschwung
nimmt. England, das einst führend war, muß heute von einem andern
Lande, von Österreich, lernen: die Tatsache steht ja fest, daß Österreich in
bezug auf das moderne Kunstgewerbe die erste Stelle einnimmt. Natürlich gibt
es auch gegenwärtig in England
erstklassige entwerfende Künstler
und erstklassige Kunsthandwer- ._
ker, aber die Entwicklung des Y"
Kunstgewerbes ist dort den ein- '
zelnen überantwortet und nicht '
einer Organisation. Es ist eine
bedauerliche Tatsache, daß Män-
ner wie Ashbee, Baillie Scott,
Voysey, Ernest Newton und
andere von großem Ruf nicht
zu Professoren an den Kunst-
gewerbeschulen ernannt werden.
Wenn jemand imstande ist, den
gewöhnlichen Arbeiter zu so her-
vorragenden Leistungen heran- ,
zubilden, wie Ashbee es getan V
hat, so könnte man auf einem
seiner vielseitigen Begabung ent-
Ausstellung österreichischer Kunstgewerbe 191371914.
sprechenden ausgedehnteren Ar- Polster, buntgestickt auf Seide von Melina Löffler, Wien