BERLIN. ÄGYPTEN IN BERLIN. (Die Ausgrabungen von Tell-Amarna.)
Was auf der Nilfahrt von Kairo nach Assuan schwer erreichbar, das Ausgrabungsfeld
von Tell-Amarna, das enthüllt all seine seltenen künstlerischen Früchte jetzt bequem
zugänglich in einer Sonderausstellung des ägyptischen Museums zu Berlin.
Diese Funde bildnerischer Werke sind zweifach interessant. Einmal durch die
Persönlichkeit des Königs, unter dessen Anregung und Förderung sie entstanden. Das
war Amenophis IV. (x37 5-x 3 58 vor Christus), den die Geschichte den Ketzerkönig nennt,
weil er sich von der vielgestaltigen Mythologie seiner Väter abwandte und den reinen
Kultus der Sonne zur Religion erhob. Er verlegte auch die Residenz von Theben, dem
heutigen Karnak und Luxor auf ein Neuland und gründete in der Wüste die Stadt Achet-
Aton, das ist Sonnenhorizont, an der Stelle des heutigen Tell-Amarna. Und sich selbst
nannte er Echnaton. Als ein Wahrheitssucher, fern von den Wegen der Konvention,
empfand er sich, das gab auch der Kunst, vor allem der Bildhauerei, die sich an seinem
Hof entfaltete, das Gepräge und ließ sie, im Gegensatz zur stilisierenden Richtung der
Überlieferung, naturnachahrnend, realistisch arbeiten. Und darin liegt das zweite inter-
essante Moment dieser Ausgrabungen. Alle diese Plastiken, Reliefs wie Büsten und Masken -
gehen auf Leibhaftigkeit, auf Wiedergabe des Lebens
aus. Und dies scheint in der ägyptischen Kunst,
wenigstens in bezug
auf die Person und die
Umgebung des Herr-
schers, etwas ganz Un-
gewöhnliches. In an-
dernZusammenhängen
gibt es freilich auch
sonst Realismus. Man
braucht nur an die
fast kinematographisch
momentanen Bewe-
gungsimpressionenvon
Ringergruppen auf
Fresken der Gräber
von Beni-I-Iassan zu
denken oder an die
Wandmalereien in den
Katakomben des pha-
raonischen Güterauf-
sehers Ti mit ihren
genrehaften Ausschnit-
ten der Werke und
Tage. Doch die ge-
heiligte Person des
FürstemdiedenGöttem
gleich geachtet wurde,
und seine Familie
wurde nie allzu mensch-
lich abgebildet, sondern
Ausstellung österreichischer Kunstge- immer in mythischer Ausstellung österreichischer Kunst-
werbe xgi3-x914. Batikschal von Dora Steigerung und Erhö" gewerbe 1913-1914. Batikschal
Wibiral, Weimar hung. Daüir zeugen die von Valerie Fetter, Wien