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Volltext: Monatszeitschrift XVI (1913 / Heft 12)

beste Frucht der intensiven Erforschung alter Kunst der Erkenntnis der modernen zugute 
kommen zu lassen, also diese höchst lebendigen Probleme mit jener echten Wissenschaft- 
lichkeit zu behandeln, die nach dem Ausdruck in Hoebers Vorwort „stets die sachlich 
vollständige Beherrschung des Gegenstandes mit einem reifen und tiefen Urteil über sein 
Wesen zu verbinden vermag". 
Für den Band, der die Serie eröffnet, boten Bearbeiter und Thema eine unvergleich- 
lich günstige Konstellation; jener ein ungewöhnlich kenntnis- und gedankenreicher 
Architekturhistoriker, der Bearbeitete eine der stärksten, vielleicht die stärkste baukünst- 
lerische Potenz der Gegenwart. Die energische Kurve der persönlichen Entwicklung Peter 
Behrens' gibt einen klaren Durchschnitt durch die Wandlung, die die deutsche Baukunst 
in den letzten anderthalb Jahrzehnten durchgemacht hat. Als Maler von impressio- 
nistischer Auflösung des Weltbildes zu dekorativer Stilisierung vorgeschritten, ist Peter 
Behrens erst um die Jahrhundertwende zum Architekten geworden. Er begann mit jenem 
ein individuellstes Ausdrucksbedürfnis mit konstruktiv naturalistischen Mitteln befriedi- 
genden Stil, dessen monumentales Werk die Villenkolonie auf der Darmstädter Mathilden- 
höhe ist und dessen Bedeutung uns heute mehr als eine negative und vorbereitende 
erscheint: er brach _mit morsch gewordenen Konventionen und fegte den Boden für eine 
neu zu bildende Tradition frei. In den sich anschließenden Jahren Düsseldorfer Lehr- und 
Bautätigkeit hat Behrens ein Konstruieren aus kubischen Einheiten zur Grundlage seines 
Schaffens gemacht; diese Periode ist seine eigentliche Lernzeit, die ihn zur Bewältigung 
der letzten monumentalen Aufgaben rüstete. Als Architekt der Allgemeinen Elektrizitäts- 
gesellschaft hat Behrens zuletzt in Berlin eine ungeheure Tätigkeit entfaltet; von den 
Turbinenhallen und Fabriksgebäuden bis zu den Einzelverkaufsläden und den Typen von 
Bogenlampen und Ventilatoren, alles was die Marke A. E. G. trägt, ist sein Werk. Der enge 
Kontakt zwischen dem großen Künstler und der gewaltigen kapitalistischen Bauherrin hat 
Schöpfungen ermöglicht, die zum wertvollsten Besitz der deutschen Architektur zählen; 
die bestimmt und klar gestellten Aufgaben verhindern jedes Ausschweifen individuellen 
Künstlertums, sie werden zu den Bedingungen des raumgestaltenden Schaffens. Nicht die 
Neuheit der Aufgaben, die Traditionslosigkeit der neuen Materialien haben mechanisch 
eine neue Kunst gezeugt; eine starke und fein ausgebildete künstlerische Persönlichkeit 
hat sich dieser Dinge bemächtigt, um Raumschöpfungen hervorzubringen, deren grund- 
legende Wirkungsbedingungen mit dem Wesen aller großen Baukunst engst verwandt sind. 
Die hoch komplizierten Zwecke der verschiedenen technischen Anlagen mit ihrem Beton, 
Eisen und Glas sind nicht anders befriedigt, als etwa die Aufgaben des stolzen Granitbaus 
der kaiserlich deutschen Botschaft in St. Petersburg erfüllt sind; dort ist dem Industrialis- 
mus, dieser mächtigsten positiven Kraft unserer Zeit, die Form geschaffen, hier ist die 
Macht des deutschen Kaiserreichs so eindrucksvoll und zwingend zum Ausdruck gebracht, 
daß auch der Mann aus dem Volke diesen Botschaftsbau zähneknirschend wie eine Trutz- 
burg, wie das Symbol einer Macht empfindet, die er zu respektieren genötigt wird. Im 
Imperialismus wie im Industrialismus ist Zeitgeist lebendig; wenn diese uns beherrschenden 
Mächte _ wie es hier der Fall ist 7 den Künstler finden, der ihr Wesen zu gestalten 
vermag, scheint die Grundlage für eine große und gesunde Architektur gegeben; und Peter 
Behrens gebührt ein führender Platz in ihr. 
Die Darstellung, die I-Ioeber von der inhaltsreichen Laufbahn des Künstlers gibt, ist 
eine ganz ausgezeichnete; er verfällt weder in einen übertrieben enthusiastischen Ton, der 
einem verehrten zeitgenössischen Künstler gegenüber so nahe läge, noch begnügt er sich mit 
einer trocken unparteiischen Beschreibung seiner Werke. Er begreift und schildert Behrens 
aus seinem eigenen intensiven Verständnis für lebendige Werte; und so stark ist die 
Harmonie zwischen dem Künstler und seinem Monographen, daß dieser über die wesent- 
lich historische Orientierung seiner Interpretation im Irrtum sein kann. Wohl gibt es 
allgemeinste Elemente in einer Kunst, an denen auch der einzelne Künstler ohne Rück- 
sicht auf seine zeitliche Stellung teil hat; aber nur in diesem, in zeitlich-örtlicher Bedingt-
	        
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