MAK

Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 1)

Das ehemalige Sezessionsgebäude, von dem die zersprengte Gruppe wehmütig 
singen könnte: „Wir hatten gebauet ein stattliches Haus", ist nach Auflösung des alten 
Bundes ein Asyl für mancherlei Mal-Konventikel geworden. Etwas Morgenrötliches, 
Kämpferisches, die Meinungen Aufpeitschendes leuchtete aber immer noch in diesen 
schlichten grauen Sälen auf. 
Daß hier noch einmal die gemäßigte Zone herrschen würde, hätte man wohl kaum 
angenommen. Das Unzulängliche, hier ward's nun doch Ereignis, und jetzt breitet sich an 
der Kriegs- und Barrikadenstätte von einst ein gar friedlich-bürgerliches Lager aus vom 
Klima des sommerlichen „Großen" Bilderjahrmarktes im Glaskasten am Lehrter Bahnhof. 
Es ist - um das ganz bescheiden selbsterkenntnisvolle Wort des Katalogvorwortes 
aufzunehmen - „die Kunst der mittleren Linie". 
Klein-Chevalier, ein braver von keiner Problematik gequälter Malersmann, plätschert 
rnarinefrornm in Lust und Leid alter ehrlicher Seemänner. Schlichting bringt seine 
gewohnten abendlichen Lichtstimmungen der Großstadtstraßen; aber unserer viel 
sensibler gewordenen nervösen Empfänglichkeit und Empfindlichkeit scheint das heut 
mehr gewohnheitsmäßige Palettenmixerei. Die Hirrende Vision solcher nebelverschleierter 
Lichtmagien, dies versprühende optische Parfüm der Villes de lumiere wird von jüngeren 
Koloristen viel raffinierter und suggestiver gebannt. 
Überhaupt ward so manches blal] und flau. Zum Beispiel Strathmann, der, wenn 
auch etwas pedantisch, doch oh; juwelierhaft dekorative Fülle ausschüttete, scheint in 
seiner Vogelpredigt des Franciscus von Assisi stumpf und trocken. Und wenig glücklich 
wirkt die Charakteristik des Gesichts, des Mundes vor allem, der nicht sprechend, sondern 
breit plärrend aufgefaßt ist. Gewiß könnte man die fromme Einfalt dieses lieben Heiligen 
humorhaft mit einer lächelnden „in Gott vergnügten" Heiterkeit des Gemüts zeichnen (Shaw 
in seinem Löwen-Androclus tut das). Aber Karikatur und Travestie paßt doch gar nicht 
zu dieser innigen Gestalt. 
Farbige Reize schwingen in Blocks Bild „die Diener", eine Vorhalle in gedämpftem 
Schein, aus dem das reiche Gitterwerk eines schön geschwungenen Treppengeländers von 
Goldbronze aufleuchtet und dazu Samt, Brokat und geiiederzarter Pelz der Frauen- 
Vetements im Arm der wartenden Diener. Leider zerstört für unseren heiklen Geschmack 
das Genrehafte, fast Anekdotische dieser sich räckelnden verschlafenen Domestiken-Typeu 
die Harmonie des farbigen Klanges. 
Man prüft dann "die weniger bekannten oder fremden Namen. Richard Bloos 
versucht in seinem Bal Musette eine Technik tlackrig spritziger Flecken zum Ausdruck 
greller Stimmung nicht schlecht. 
Wilhelm Gallhoif wirü brünette und blonde Mädchenakte zusammen auf einem 
Diwan, doch ohne die atmende Sinnlichkeit, die dieser Künstler sonst manchmal hatte. 
Max Giesecke stilisiert in seinen Marinen Wogenkämme, SchiEsbug und Möwenüug 
auf eckige, an Rippen erinnernde Linien, skandinavischen Motiven verwandt. 
Walter Opheys Parklandschaft gleicht einem erstarrten Rinnsal ergossener roter und 
grüner Farbenströme, nicht mit dem Pinsel gemalt sondern mit der quellenden Tube, und 
wollte man einen Witz machen, so könnte man das nach Analogie der Kubistik - Tubistik 
nennen. 
Friedrich Pautsch strebt in seiner großen Leinwand „Auswanderer" nach dem Fresko- 
Bächenstil von Egger-Lienz. Doch bleibt die Schilderei des Zuges der Fahrenden mit 
Planwagen unter Tonnenreifen und dem Ochsengespann trotz des groß angelegten 
Entwurfes etwas bilderbogenhaft. 
Wolfgang Müller erinnert in seinen dekorativen Winterbildern an Walter Klemm 
und manche Schweden. Er malt den Schlittschuhläufer im weiten Schwung: 
„Sorglos über die Fläche weg 
Wo vom kühnsten Wager die Bahn 
Dir nicht vorgegraben Du siehst."
	        
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