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Volltext: Monatszeitschrift XVII (1914 / Heft 8 und 9)

KUNSTGEWERBE DES BAROCK UND ROKOKO 
IN DEUTSCHLAND AUF DER JAHRHUNDERT- 
AUSSTELLUNG DEUTSCHER KUNST IN 
DARMSTADTSIP VON PAUL F. SCHMIDT- 
M das deutsche Kunstgewerbe in seiner Fülle zu 
zeigen, wie es sich seit dem Dreißigjährigen Krieg 
bis zum Einbruch des Klassizismus entwickelt 
hat, hätte es einer besonderen Ausstellung fast 
von demselben Umfang bedurft, wie ihn die ganze 
jahrhundertschau deutscher Kunst in der alten 
Residenz zu Darmstadt beansprucht. Allein hier 
war mit Recht der Nachdruck auf die Malerei 
gelegt, und zwar insbesondere auf die repräsen- 
tative Porträtkunst; und von dem Kunstgewerbe 
wurde in gleichem Geiste wesentlich der fürstliche Besitz an Goldschmiede- 
werken des XVII. und XVIII. Jahrhunderts gezeigt. Völlig ausgeschaltet 
blieb das Porzellan, das ja in so gewaltigen Mengen jedermann in öffent- 
lichen Sammlungen zu Gebote steht, daß seine Vorführung sich erübrigte; 
sie hätte schließlich auch einen gar zu breiten Raum beansprucht. Die 
reichen Schätze an Silber und Gold, welche in fürstlichem Besitz, in 
Rathäusern, Kirchen und Klöstern sich befinden, sind aber nicht so leicht 
und häufig gar nicht zugänglich, so daß es ein wirkliches Verdienst 
bedeutet, sie hier der Öffentlichkeit einmal dargeboten zu haben. Die 
Gelegenheit, unsere Goldschmiedekunst des Barock und Rokoko so aus- 
giebig bei einander zu sehen und durchforschen zu können, wird kaum 
so bald wiederkehren. Der Eindruck ist der einer unausgesetzten Tradition 
und eines durch nichts unterbrochenen gewaltigen Könnens, das sich 
allen Stilfolgen gleich gewachsen zeigt. Die abschwächende Wirkung des 
Dreißigjährigen Krieges spürt man kaum in einer quantitativen Abnahme. 
Ja im Barock entfaltet sich eigentlich erst das allbeherrschende Vermögen, 
die Materialien nach ihrem spezifischen Charakter zu meistern; die volle 
schwunghafte Rundung des Barock glückt den deutschen Meistern weit 
besser als die Tiftelei der Renaissance, die immer etwas Stachliges und 
Spitznäsiges in Deutschland behält. 
Doch wirken gerade die Grundformen der Renaissance noch jahr- 
hundertelang nach. Es liegt das daran, daß diese noch aus der Spätgotik 
herübergerettet waren und dem konservativen Charakter der Goldschmiede 
außerordentlich gut lagen. Noch 1773 arbeitet der berühmte Augsburger 
Christian Drentwet die uralte Form des Ananaspokals mit naturalistischem 
Baumstamm als Fuß. Es ist das allerdings das späteste Beispiel einer 
zäh festgehaltenen Tradition. Im kirchlichen Kunstgewerbe pflegt. man 

	        
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