Die originellen Wege dieser Schmucksprache erkennt man auch an einer andern
Vitrine, in der die inneren Fachbretter in weicher kurviger Ausbuchtung geführt und mit
einer reichen Aussäge- und Durchbruchmusterung ausgestattet sind.
Solch verschlungenes, verflochtenes l-Iolzgitterwerk liebt PfeiiTer überhaupt. Einmal
setzt er es in Rundbogenform als Aufsatz auf einen quadratischen Wandspiegel.
Orientalisch, an Moucharabie erinnernd, wirkt das, und man denkt, dies Gerät
könnte von einem alten deutschen Meister sein, der auf Kreuzzugsfahrt im heiligen
Lande war.
An Lettres Schalen, Büchsen, Kannen und seinem edelgefügten Schmuck von Ketten,
Ring und Spange verehrt man wieder den frommen Materialsinn und die treue Hand, die
so sorgsam aus jedem Stoff seinen letzten Wesensreiz durch bedachtsame Arbeit
herausholt.
Aufgaben großen Stils sieht man: den wuchtigen getriebenen Silberkübel mit den
machtvoll aus der Leibung - sie gleicht einem Bollwerkturm -herauswachsenden
l-lenkeln, ein Geschenk des Kaisers an die Luftschiffer.
Ferner die stolzen Prunkpokale, Nachkommen der alten Zunft-Willkumms, von denen
Schemel relmte: „Ihr Mannen macht das Armbein krumm,
Der große Willkum geht herum,
Der Willekum."
lm Auftrag des Hauses Krupp als Widmung an verdiente Mitarbeiter sind sie
geschaffen worden. Auf einem liest man die Dedikalzion an Eberhard Freiherrn von Boden-
hausen. Und der Zusammenklang der Namen Krupp und Bodenhausen hat gerade in dieser
Zeit etwas Nachdenkliches. Der Freiherr von Bodenhausen gehörte nämlich in den neun-
ziger Jahren, ehe er als Direktor dort wirkte „wo die Kanonen stehen", zu jenem Kultur-
kreise, der die neue angewandte Kunst in Deutschland Fördern half. Mit l-Iartleben, dem
Grafen Harry Keßler, Meier-Gräfe begründete er den „Pan". Vorläufer waren sie für das,
was A. W. von l-leymel, der nun zu unserer Trauer Abgeschiedene, mit der „Insel"
vollendete.
In der Begriffsverbindung Krupp-Bodenhausen treffen sich so zwei Welten. Als
gemeinsames Vaterland umfaßt sie aber beide Deutschland. Davon scheinen die Wider-
sacher mit den einseitigen Schlagworten: „Militarismus" und „Potsdam" nichts zu ahnen.
F. P.
ZU DEN WANDBEHÄNGEN MIT DARSTELLUNGEN AUS DER
APOSTELGESCHICI-ITE NACH RAFFAELS ENTWÜRFEN.
E. Kumsch beginnt seine Studie über „Die Apostelgeschichte - eine Folge von Wand-
teppichen nach Entwürfen von Raffael Santi"" mit folgenden Worten: „Als die berühmtesten
und daher auch weltbekannten Wandteppiche sind diejenigen zu bezeichnen, die nach den
Entwürfen Raffaels im Auftrage des Papstes Leo X. für die Capella Sistina im Vatikan
zu Rom angefertigt wurden." Trotzdem Kenner, wie Darcel über die Mängel der aus
Raffaels Schule hervorgegangenen Entwürfe schon lange nicht mehr im Zweifel waren,"
oder wie George Leland Hunter sogar meinten, „die Raffaelischen Kartons haben der
Kunst des Teppichwebens mehr geschadet als alle andern Ursachen zusammen", "k" so ist
es mit dem Weltruhme wohl richtig, wenn wir diese Tatsache auch mit andern Worten
ausgedrückt hätten, als Kumsch es tut. (Natürlich betreffen die gemeinten Mängel nicht
die bewunderungswürdige Kunst Raffaels, sondern seine und seiner Schüler Unerfahrenheit
auf einem besonderen kunstgewerblichen Gebiete.)
"k Kunstanstalt von Stengel ä Co., Dresden, 1gx4.
4"" Guichard und Darcel, „Les Tapisseries decoratives du Garde-Meubles. Paris, o. J. zu Nr. 24.
"i" „Tapestriesü New York xgxz, S. 82: „The Raphael Cartoons did more harm to the An of Tapestry-
weaving than all other influences combined."