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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 6)

Blick auf den Schattenweg. Eine giildene Kette trägt er um den Hals und im Ohrzipfel 
einen Ring. Dämmerung schwebt um ihn, der Glanz freudiger Maler- und Zechertage liegt 
weit dahinten. Und daneben hängt Hendrickje Stoffels, das warme betuliche Haustier - 
die „Schwerfällige, Dumpfe, Gute" nennt sie Emil Ludwig -, die der Einsame sich 
genommen, da Saskia, die Einzige, schied. 
Dies Berliner Bild (Sammlung Robert von Mendelssohn) gibt im Gegensatz zu der 
Hendrickje im Louvre, die nach Art der Saskia-Porträte mit schwelgerischer Schmuck- 
und Stoffphantasie gesteigert ward, die handfeste niederländische Magd, den treuherzigen 
„Bettschatz", ins Umschlagtuch gewickelt, die Arme ineinandergetan, wie es die einfachen 
Weibsleut' beim Schwatz vor der Haustür machen. 
Nicht so sprechend tritt hier Rubens hervor mit der Grisaille „Zug des Silen", voll 
wabernden Schlemmeriieisches, eine Studie zu dem bekannten Gemälde. 
Frans Hals aber strotzt in all seiner Pracht. Die Frau in der Halskrause aus der 
Galerie von der Heydt, wuchtig leibhait, eine „Regentin" und Walterin; der Mann 
(Sammlung Gumprecht), tonig gelbgrau, voll und doch in einer unstofflichen Farbe hin- 
gestrichen, erweist Hals als einen der großen Ahnen Manets. 
Ein Jordaens, Mann und Mädchen mit 0bstkorb,'lacht schmatzend und mit blinkenden 
Zähnen, animalisch sinnenhaft wie eine kreischende Hämische Kermes. 
Van Steens und Teniers Alltagsausschnitte kunterbunter Lebensvergnüglichkeiten - 
die ein Dusterer als Todsünden malen würde - gehen im Gefolge. Sie sind ziemlich typisch, 
wir suchen lieber in verweilenderer Stimmung das Besondere. 
Da Bimmert eine Landschaft von Averkamp „Maskenfest auf dem Eise" (Geheimrat 
Stumpfs Besitz). Sie gehört in die dekorative Reihe Breughelscher Winterbilder. Doch von 
zarterer Rasse. Wenn diese breitflächig an das Plakat erinnern, so denkt man bei diesen 
miniaturhaften Zieraten von Figurinen und spiegelndem Hintergrund an huschige Lack- 
malerei auf Dosen und Tabletten. Und schmeichlerisch klingt in der krisseligen Rauhreif- 
helle, die das Bild beherrscht, ein sanftes Blau hervor. 
Durch das Seltsame der Komposition fällt die „Genreszene" von J. Vrel auf: Eine 
hohe gefelderte Glasscheibe trennt Vorder- und Hintergrund. Vorn im Diesseits hockt auf 
kippendem Binsenstuhl eine Alte nach vom gebeugt zu der Scheibe, hinter der - also im 
Jenseits des Gemäldes - ein Kinderkopf auftaucht. Das Medium des Fensters mit seiner 
Nähe und seinem Trennenden gibt, auch abgesehen von dem schwingenden Lichteffekt, 
eine eigene Wirkung. Grillparzer charakterisiert es einmal als einen der heftigsten Ein- 
bildungsreize, wenn ein Mann und eine Frau, geschieden durch eine gläserne Wand, auf 
dieser durchsichtigen Mauer die Lippen zu einer imaginären Zärtlichkeit pressen. 
Von allerhöchsten Graden erscheint das Doppelbild von Mutter und Tochter des 
Bartholomäus Bruyn des Jüngeren (Galerie Kaufmann). Die Mutter steht hinter dem 
Mädchen, das ihr nur bis zu den Hüften reicht, in einem Kirchengestühl, eine Körper- 
architektur voll Haltung und Geschlossenheit, groß geformt in der Farbe von Braun, Rot, 
Schwarz, die Gesichter sehr bleich, der Mutterkopf besorgt, erfahren; das Kinderantlitz in 
frühem Ernst, mit altem Zug, befangen in der beklemmenden Würde des feierlichen Augen- 
blicks; beseelte Hände (wundervoll darin das rote Gesangbuch) und festgeschlcssene 
niederdeutsche Lippen. 
Einen der seltsamsten Meister grotesk unheimlicher Visionen trifft man, den Hiero- 
nymus van Bosch. Seine Verspottung Christi (ebenfalls aus dem Hause Kaufmann) zeigt 
eine wilde Lust an den Grimassen der Bosheit. Bosch variiert die meckernden, Hetschenden, 
wut-zerrigen Mienen entmenschten Schaupöbels voll diabolischen Vergnügens daran, wie 
sich doch die Gebärden des „Ebenbildes der Gottheit" verstellen können. 
Aus italienischem Bereich blickt unnahbar abweisend unterm Schleier eine Gentil- 
donna des Ghirlaudajo, mit erlauchtem Geschmeide angetan (Sammlung Gumprecht). 
Ein großer Greco fesselt in seiner raffinierten Auffassung des Laokoon-Themas. Wir, 
die wir davor standen, sagten aus einem Munde: Russisches Ballett. Der geheimnisvolle
	        
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