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Volltext: Monatszeitschrift XVIII (1915 / Heft 6)

griechische Maler Theotocopuli, der unter dem Namen El Greco in Toledo, der 
düster unheimlichen Bergstadt, seine Martyrien in fahlen Verwesungsfarben und seine 
dämonischen Menschenbildnisse malte, hat in diesem Laokoon etwas von sinnlicher Schau- 
stellung gegeben, ein Theater der Glieder, eine Pantomime zwischen Menschen und 
Schlange. Der Alte, in der Mitte liegend, in Krampf und Krümmung meisterhaft gemalt, 
hat die Angst darzustellen und zwingt das echt. Der Jüngling, daneben stehend, dient 
dagegen nur als Figurant eines schönen Gaukelspiels. Mit abschnellendem Fuß, leicht- 
schwebig, wirklich Nijinski ähnlich mit seinem knospenhalten Ephebenleib, wiegt er sich, 
und in einer graziösen Biegung hält er mit den Händen, zum Reifen gebogen, die glitzernde 
Viper. Zwei andere Knaben, Statisten, ebenfalls in Rückenansicht, schauen verzückt zu, 
und im Hintergrund türmt sich Troja als eine Operndekoration aus Holz und Leinwand: 
„Schatten eines Traumes". 
Als reinen, hell harmonischen Schlußklang nach diesem süchtigen Glissando das 
sonnige Bild der schönen Mailänderin Goethes mit den fliegenden Auroralocken von Angelika 
Kauffmann. Es ist nun Berliner Besitz und gehört Dr. Werner Weisbach. 
Man steht jetzt nachdenklich davor, wie vor einem Sinnbild der deutschen Liebe zu 
Italien. Goethe schrieb dazu den leidenschaftlichen Text. Er sprach von seiner ltalomanie 
und übersetzte Heimweh mit Italienweh. Er hätte gewiß nicht geglaubt, daB dies Wort 
Italienweh noch einmal für uns eine so ganz andere vergiftete Bedeutung bekommen 
würde. 
ERLINER MAI-KÜNSTE. Unter der Flagge mit der Aufschrift „Mai" hat eine 
Gruppe jüngerer Künstler aus dem Lager der alten und neuen Sezession und der 
juryfreien eine Frühlingsausstellung veranstaltet. 
In den weiten Räumen des ersten Stockes Unter den Linden 13 ward sie aufgetan, 
und gerahmt in den mächtigen Fensterscheiben nicken die hohen grünbuschigen Wipfel 
der Bäume hinein in das Farbenchaos voll Sturm und Drang. 
Ist es aber wirklich Sturm und Drang?, voll Überschuß der Kräfte? . . . Es will viel- 
mehr scheinen, als ob hinter diesen Versuchen zu einem von der sinnenhaft erfaßten 
Natur abgelösten und dafür aus dem Künstlergehirn geformten Weltbild zu gelangen, 
Quälerei und Mühsal, vor allern Gedankenpein steckt. 
Man hat kaum das Gefühl, daß den Malern ihre Gebilde in einer reichen, beglückenden 
Empfängnis aufgegangen. Verquollen und blasig wirkt dies Schaffen. 
Der Krieg konnte dabei nichts helfen. Einige glaubten sich wohl verpüichtet, diesen 
Stoffkreis zu berühren. Doch entzündete sich daran kein überraschender Funke. Für 
Melzer zum Beispiel mit seiner bekannten Handschrift, die an russische wittrige Fresken 
auf Mauerwänden, grün, grau, fahlblasterig erinnert, wurden die Lager- und Waffen- 
eindrücke nur ein Fetzen Stoff mehr, urn eine Darstellung in Melzerscher Manier zu geben, 
ohne inneren Atem unerhörten Erlebnisses. Und Heckendorß, den ich als Rhythmiker der 
Straßenzüge und als Banner der nervigen Spannungen von Eisenbrücken und Viadukten 
schätze, verstört mich durch seinen grellen Bilderbogen der von Granaten aufgeschleuderten 
Russenleiber. 
Suchen wir das Erfreulichere aus dem Wust. H. Krayn fällt durch erregungsvolle 
Straßenausschnitte auf. In kleinem Raum fängt er etwas von der gefährlichen I-Iitzwelle 
überreizter johlender Massen ein. Sein Familienbild, Vater, Mutter und Kind in einer 
dunklen Bergnische mit der grünenden Lichtung hinter ihnen, strömt voll Trostlosigkeit 
der Mienen das Weh der geängsteten Kreatur, der Mühseligen und Beladenen aus. 
Gawells Steinhacker durchzuckt lebendiger Schwung. Feigl erfaßt das ewig zuckig, huschig 
Vorübergleitende der Erscheinung. Kuithan stellt drei Frauen, einen Akt, eine im weißen 
Kittel, eine im roten Mantel, gegen den Meeresstrand. Und dekorativ ist sein hockendes 
Mädchen im rotgrünen Kissen auf dem bunt gestickten Hintergrund, der einer Textil- 
wiese vergleichbar.
	        
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