griechische Maler Theotocopuli, der unter dem Namen El Greco in Toledo, der
düster unheimlichen Bergstadt, seine Martyrien in fahlen Verwesungsfarben und seine
dämonischen Menschenbildnisse malte, hat in diesem Laokoon etwas von sinnlicher Schau-
stellung gegeben, ein Theater der Glieder, eine Pantomime zwischen Menschen und
Schlange. Der Alte, in der Mitte liegend, in Krampf und Krümmung meisterhaft gemalt,
hat die Angst darzustellen und zwingt das echt. Der Jüngling, daneben stehend, dient
dagegen nur als Figurant eines schönen Gaukelspiels. Mit abschnellendem Fuß, leicht-
schwebig, wirklich Nijinski ähnlich mit seinem knospenhalten Ephebenleib, wiegt er sich,
und in einer graziösen Biegung hält er mit den Händen, zum Reifen gebogen, die glitzernde
Viper. Zwei andere Knaben, Statisten, ebenfalls in Rückenansicht, schauen verzückt zu,
und im Hintergrund türmt sich Troja als eine Operndekoration aus Holz und Leinwand:
„Schatten eines Traumes".
Als reinen, hell harmonischen Schlußklang nach diesem süchtigen Glissando das
sonnige Bild der schönen Mailänderin Goethes mit den fliegenden Auroralocken von Angelika
Kauffmann. Es ist nun Berliner Besitz und gehört Dr. Werner Weisbach.
Man steht jetzt nachdenklich davor, wie vor einem Sinnbild der deutschen Liebe zu
Italien. Goethe schrieb dazu den leidenschaftlichen Text. Er sprach von seiner ltalomanie
und übersetzte Heimweh mit Italienweh. Er hätte gewiß nicht geglaubt, daB dies Wort
Italienweh noch einmal für uns eine so ganz andere vergiftete Bedeutung bekommen
würde.
ERLINER MAI-KÜNSTE. Unter der Flagge mit der Aufschrift „Mai" hat eine
Gruppe jüngerer Künstler aus dem Lager der alten und neuen Sezession und der
juryfreien eine Frühlingsausstellung veranstaltet.
In den weiten Räumen des ersten Stockes Unter den Linden 13 ward sie aufgetan,
und gerahmt in den mächtigen Fensterscheiben nicken die hohen grünbuschigen Wipfel
der Bäume hinein in das Farbenchaos voll Sturm und Drang.
Ist es aber wirklich Sturm und Drang?, voll Überschuß der Kräfte? . . . Es will viel-
mehr scheinen, als ob hinter diesen Versuchen zu einem von der sinnenhaft erfaßten
Natur abgelösten und dafür aus dem Künstlergehirn geformten Weltbild zu gelangen,
Quälerei und Mühsal, vor allern Gedankenpein steckt.
Man hat kaum das Gefühl, daß den Malern ihre Gebilde in einer reichen, beglückenden
Empfängnis aufgegangen. Verquollen und blasig wirkt dies Schaffen.
Der Krieg konnte dabei nichts helfen. Einige glaubten sich wohl verpüichtet, diesen
Stoffkreis zu berühren. Doch entzündete sich daran kein überraschender Funke. Für
Melzer zum Beispiel mit seiner bekannten Handschrift, die an russische wittrige Fresken
auf Mauerwänden, grün, grau, fahlblasterig erinnert, wurden die Lager- und Waffen-
eindrücke nur ein Fetzen Stoff mehr, urn eine Darstellung in Melzerscher Manier zu geben,
ohne inneren Atem unerhörten Erlebnisses. Und Heckendorß, den ich als Rhythmiker der
Straßenzüge und als Banner der nervigen Spannungen von Eisenbrücken und Viadukten
schätze, verstört mich durch seinen grellen Bilderbogen der von Granaten aufgeschleuderten
Russenleiber.
Suchen wir das Erfreulichere aus dem Wust. H. Krayn fällt durch erregungsvolle
Straßenausschnitte auf. In kleinem Raum fängt er etwas von der gefährlichen I-Iitzwelle
überreizter johlender Massen ein. Sein Familienbild, Vater, Mutter und Kind in einer
dunklen Bergnische mit der grünenden Lichtung hinter ihnen, strömt voll Trostlosigkeit
der Mienen das Weh der geängsteten Kreatur, der Mühseligen und Beladenen aus.
Gawells Steinhacker durchzuckt lebendiger Schwung. Feigl erfaßt das ewig zuckig, huschig
Vorübergleitende der Erscheinung. Kuithan stellt drei Frauen, einen Akt, eine im weißen
Kittel, eine im roten Mantel, gegen den Meeresstrand. Und dekorativ ist sein hockendes
Mädchen im rotgrünen Kissen auf dem bunt gestickten Hintergrund, der einer Textil-
wiese vergleichbar.