Kollegen und Vorgänger im Amte schuldete und auch die gute Qualität des Brüningschen
Textes, von jeder überflüssigen Umgießung desselben abzusehen, andrerseits war es
wieder ein selbstverständliches Gebot der Wissenschaft und auch dem pädagogischen Zweck
des Handbuches entsprechend die großen Fortschritte und zahlreichen Entdeckungen zu
verzeichnen, welche seit dern Erscheinen der ersten Auflage (1907) die gerade auf dem
Gebiete des Porzellans sehr rege Forschung gezeitigt hat. Schnorr von Carolsfeld, seit
Jahren der Leiter der prächtigen Porzellansammlung des Berliner Kunstgewerbe-
museums, hat seine Aufgabe mustergültig gelöst. Seine Bearbeitung zählt 272 Seiten
gegenüber den 230 Seiten der ersten Auflage; er hat also den Umfang nicht wesentlich
erweitert und hat es dennoch verstanden, bei sympathischer Schonung des Brüningschen
Textes, unter lückenloser Heranziehung der seitdem erschienenen Literatur, eine über-
sichtliche und klare Geschichte der Porzellankunst des XVIII. Jahrhunderts zu geben.
Auch der Fachmann wird das Buch mit Nutzen und Gewinn lesen und vor allen Dingen
seine Freude an der frischen klugen Art Schnorrs haben, mit der er zu zahlreichen
Problemen der modernen Forschung auf diesem Gebiete Stellung nimmt. So bei den
Kapiteln über Berlin, Höchst, Frankenthal und Ludwigsburg, wobei besonders die besonnene
Kritik der mehr temperamentvollen als berechtigten Baletschen Zuschreibungen hervor-
zuheben ist. Das Kapitel über Wien (Seite 114 bis 124) ist vielleicht dasjenige, das etwas
weniger persönlich ist; es beruht fast nur auf den verschiedenen durch die Wiener
Porzellanausstellung hervorgerufenen Publikationen. Andrerseits ist die Sammlung des
Berliner Museums nicht allzu reichhaltig an Alt-Wiener Porzellan _ eine prächtige Neu-
erwerbung Otto von Falkes ist die Seite x18 abgebildete preziöse Reifrockdame ä und bot
deshalb für eine umfassendere Darstellung dem Leser zu wenig Anschauungsmaterial.
Unbekannt war mir bisher die von Schnorr Seite 120 erwähnte Kinderfigur der Sammlung
Darmstadt-Berlin, welche die Signatur „L. v. Lücke" trägt. Wir haben also in diesem Stück
eine zweite signierte Arbeit Lückes, die neben der von mir im Jahrgang X914 dieser Zeitschrift
publizierten liegenden Frauenligur der Eremitage es vielleicht doch ermöglichen wird, etwas
mehr Klarheit über die bisher nur literarisch bezeugte plastische Tätigkeit dieses Wiener
Modellmeisters zu gewinnen. Holfentlich läßt sich in nächster Zeit eine Abbildung der
Berliner Kinderfigur hier geben. E. W. Braun
CHERENSPIELEF Als viertes Heft der „Zeichnungen von Otto Hupp" ist eine
Folge von Papierschnitten veröffentlicht worden, welche den bezeichnenden Namen
Scherenspiele trägt.
Das anregende kleine Heftchen gibt auf 28 Tafeln eine reiche Folge von zumeist
naturgroßen Abbildungen. Es sind viele anmutige ornamentale Silhouetten dabei, wie sie
durch Zusammenlegen dünner Papiere in zwei- bis achtfacher Lage und durch Ausschneiden
mit einer kleinen Papierschere gewonnen werden. Obwohl bei einigermaßen geschickter
Führung der Schere schon der Zufall durch die vielfache symmetrische Wiederholung
eines Motives ganz reizvolle Resultate zu zeitigen pllegt, hat sich der Autor begreiflicher-
weise nicht mit solchen bequemen Mitteln Erfolge geholt, sondern ist zu mannigfaltigen
Variationen der Anwendung gelangt, bei denen heraldisch stilisierte Tieriiguren oft eine
Rolle spielen. Er ist so zur Bildung von Vignetten, Friesen, Rundbildern gekommen, die
ganz gut im Buchdruck, in der Buchbinderei, Lederpressung und so weiter Verwendung
finden können und zu Intarsien geeignet sind. Oft wird man an die Omamentstiche
Peter Flötners und anderer Renaissancemeister gemahnt, die für ähnliche Zwecke zahllose
Vorbilder schufen. Heute würde man die direkte Verwendung und Nachahmung solcher
fremder Einfälle verpönen, die einst ihre Begründung hatte. Dessenungeachtet ist die
Anregung, welche aus solchen Bilderfolgen hervorgeht, wertvoll, weil sie auch zum
Selbstschaffen förderlich ist.
' Verlagsanstalt vorm. G. j. Manz, München.