Nr. 10.
Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn.
Seite 95.
werden, so lange wird sich an der Wettbewerbsmisère in
Oesterreich nicht vieles ändern lassen und so lange werden
sich auch beinahe ausschliesslich nur die jüngsten Kräfte,
welche für ihre Zeit gar keine bessere Verwendung
haben, an diesen undankbaren Aufgaben betheiligen.
Es entsteht nun die Frage, wie kann der grösste
Bauherr, der Staat, und wie können die Länder veran
lasst werden, für hervorragendere Bauten regelmässig
Wettbewerbe auszuschreiben? Unserer Ansicht nach nur
durch die Architekten selbst. Wenn sich die österreichischen
Architekten zusammenschliessen würden, etwa unter
Führung der grössten Vereine, wenn sie sich unter
schriftlich verpflichten würden, an keinem Wettbewerbe
theilzunehmen, dessen Bedingungen nicht einem gewissen,
von einem Comité auszuarbeitenden Regulativ entsprechen,
wenn sie die Ministerien, den Reichsrath, die Landtage
durch Petitionen bestürmen würden, in den Vertretungs
körpern durch Abgeordnete ihres Faches bei jeder Ge
legenheit in diesem Sinne reden und interpelliren liessen,
dann müssten sich diese traurigen Verhältnisse bessern
lassen. Dann würden wohl auch die ersten Meister der
Ein kleineres
Der »erste österreichische Zieglertag«, welcher
am 16., 17. und 18. d. M. in Wien seine Sitzungen hielt,
die sowohl von hervorragenden österreichischen, als auch
deutschen Fachleuten und Interessenten zahlreich besucht
waren, hat in Erledigung seines ersten Programmpunktes
eine Resolution beschlossen, dahin gehend, es' sei das
deutsche oder besser gesagt preussische Ziegel-Normal
format von 25—12—6-5 cm auch in Oesterreich als
Normalformat einzuführen.
Wenn es dem Zieglertag gelingt, diese Absicht zu
verwirklichen, so wird er sich um das Bauwesen in
Oesterreich ein grosses Verdienst erwerben. Wir haben
in Oesterreich kein allgemein gütiges Normalformat, es
ist dies in verschiedenen Ländern verschieden, während
in Preussen für Staatsbauten das Format 25—12—Q b cm
vorgeschrieben ist. Das hier übliche (in Wien speciell
vorgeschriebene) von 29—14 —6 É 5 an ist, mit Ausnahme
des bayerischen, das grösste in Europa vorkommende
Format. Selbst das deutsche will uns noch ziemlich gross
erscheinen, und würde es sich bei einer allgemeinen Re
gelung dieser Frage sehr empfehlen, den Umstand ins
Äuge zu fassen, dass in den massgebendsten anderen
Culturländern das Format ein noch kleineres ist. So
haben z. B. als allgemein übliche Ziegelformate:
Paris 22'0—10-7— ^b cm
London 22'9 —11’4—6'4 »
New-York 2L9—10'5—6 6 »
Schweiz . 25'0—12’0—6'0 »
Holland (zum Theil) 22-0—10'5—5'0 »
Schweden . 25 0—12'0—6'5 »
Architektur, denen jetzt in Oesterreich so wenig Gelegen
heit geboten ist, ihre Kunst würdig zu verwerthen, an
den grössten Wettbewerben theilnehmen, während die
gewiss wesentlich gestiegene Zahl kleinerer, unter gün
stigeren Bedingungen als bisher ausgeschriebenen Wett
bewerbe auch dem jüngsten strebsamen Architekten
Gelegenheit geben würden, sich öffentlich hervorzuthun.
In der März-Nummer dieses Blattes besprachen wir
die Wettbewerbs Verhältnisse in England und theilten mit,
dass die kläglichen Zustände, die auf diesem Gebiete
dort herrschten, sich von dem Tage an wesentlich ver
besserten, als vor ungefähr 15 Jahren 335 Mitglieder des
Vereines britischer Architekten und rund 1000 Nichtmit
glieder desselben sich in einer gemeinsamen Eingabe an den
Präsidenten des genannten Vereines verpflichteten, an
keinem Wettbewerbe theilzunehmen, dessen Bedingungen
nicht den in der Eingabe gestellten Anforderungen ent
sprechen würden. Und was in England möglich und
erfolgreich war, sollte in Oesterreich unmöglich sein?
Nur selbst werden unsere Architekten sich helfen können,
und die erste Bedingung dazu ist die Vereinigung. B.
Ziegelformat.
Die Vortheile, welche mit der Einführung eines
kleineren Ziegelformates verbunden sind, sind augen
fällige. Vor Allem lässt sich der Ziegel leichter gut her
steilen, sowohl der Form, als auch der Gleichmässigkeit
des Materiales und des Brennens nach. Der Transport
wird erleichtert. Es ergeben sich beim Bau wesentliche
Ersparnisse in der Mauerwerkskubatur, da die Mauern
dem Bedürfnisse besser angepasst werden können und
die grossen Absätze zwischen den einzelnen Stockwerken
mit der dadurch bedingten stellenweisen Materialver
schwendung geringer werden. Da die Festigkeit eines
besseren Ziegels von 25 cm Länge gewiss gleich der eines
weniger gut und gleichmässig hergestellten von 29 cm
Länge ist, so Hesse sich einfach die Mauerstärke in
diesem Verhältnisse reduciren, wodurch in den Gebäuden
wesentlich an Raum gespart werden würde, ohne die
Solidität zu vermindern, was ein Vergleich mit den Hoch
bauten in Berlin, Paris und London auf den ersten Blick
bestätigt.
Auch die Ziegelwerke würden nichts verlieren, da
es ja die Arbeit und weit weniger das aus der Grube
gewonnene Materiale ist, das ihnen gezahlt wird. Das
Mauern selbst würde auch nicht mehr kosten, da die
Mauern einfach in diesem Verhältnisse schwächer ge
halten werden würden, was ohne den geringsten Schaden
nach irgend einer Richtung hier möglich wäre. Unsere
Bauordnung und Bautradition erschwert das Bauen nach
so vielen Richtungen und macht es so kostspielig, dass
jede Erleichterung in dieser Hinsicht nur mit grösster
Freude begrüsst werden kann.
LITERATUR.
Das vornehme deutsche Haus. Innenräume, Möbel und
Decorationen, entworfen von Architekt Hermann Werk.
Versuch einer Neugestaltung unserer deutschen Wohn-
räume. Motivenwerk für Architekten, Möbelfabrikanten,
Decorateure, Decorationsmaler, Kunstgewerbetreibende
aller Art und kunstsinnige Private. Zusammen 30 Cartons
im Formate 53 X 40 cm in 6 Lieferungen â 7.50 Mark.
Kunstgewerbl. Verlag von Alexander Koch, Darmstadt.
Es bereitet uns immer ein Vergnügen, eine Publication
des kunstgewerblichen Verlages von Alexander Koch in
Darmstadt besprechen zu können, denn was dieser Verlag
bisher geboten, gehört zu dem Besten seiner Art, einer
Eigenart, die sonst so wenig in der Literatur vertreten
ist, der Innen-Architektur und Decoration. Auch
in dem vorliegenden Werke bleibt der Verleger seinem
Grundsätze getreu und hat sein einmal gestecktes Ziel
unverwandt im Auge: das Innere unserer Wohnung zu
reformiren, auf eine höhere künstlerische Stufe zu bringen.
Dem aus der ATvV’schen Zeitschrift für Innendecoration
bestbekannten Architekten Hermann Werk in Berlin fiel
diesmal die Aufgabe zu, sämmtliche Innenräume eines
vornehmen deutschen Hauses zur Darstellung zu bringen.
Es ist aber besonders dankenswerth, dass hiebei nicht bloss
die Prunkräume berücksichtigt wurden, sondern auch die
intimeren einfachen Räume, und selbst die Nutzräume,
wie Küche, Badezimmer, Closet, Keller u. s. w. nicht
vergessen sind. Die Werk’sehen Compqsitionen zeichnen
sich durch einen grossen Zug aus. Sie stellen keine
Sammlung von Einzelnmotiven dar, wie so oft die
Innenarchitekturen, sondern sind aus einem Gusse. Man
merkt ihnen englischen Einfluss an — gewiss nicht zu
ihrem Nachtheile — aber man thäte unrecht, wenn man
ihnen die Bezeichnung »englisch« gäbe. Sie sind ganz eigen
artig und vor allem ganz dem Wesen des deutschen
Hauses entsprechend, sie sind durchaus modern, im guten
Sinne dieses viel verrufenen Wortes, d. h. sie suchen
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