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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 8 und 9)

Strigel befreundeten Mannes auf den richtigen Weg. Am 19. August 1520, 
also etwa einen Monat, bevor Strigel das Porträt der Familie des Wiener 
Stadtanwalts vollendete, schrieb Dr. Cuspinian folgendes in sein Tage- 
buch? „Sacellum rneum est dedicatum a reverendissimo episcopo Georgio 
Viennensi." Als ich dieses Tagebuch im Jahre 190g neu herausgab, war 
ich über die Örtlichkeit, wo diese vom Wiener Bischof Georg Slatkonia 
geweihte Privatkapelle Cuspinians zu suchen ist, noch im unklaren und 
bemerkte in einer Note zu der zitierten Stelle: „Vielleicht eine Kapelle auf 
Cuspinians Lehenshof zu St. Ulrich." Inzwischen wurde ich aber durch 
einen glücklichen archivalischen Fund in die Lage versetzt, dieses „sacellum" 
genau lokalisieren zu können. Es befand sich, wie nun außer Zweifel steht, 
im I-Iintertrakte des Wiener Wohnhauses Cuspinians (jetzt I., Singer- 
Straße ro), in jenem geräumigen und stattlichen Gebäude, das Cuspinian 
laut einer noch vorhandenen Inschrifttafel für sich und seine Familie im 
Jahre 1510 erbaut hatte." Wir wissen das aus der detaillierten Häuser- 
beschreibung des im Archiv des k. u. k. Reichstinanzministeriums in Wien 
unter der Signatur: 18638 verwahrten „I-Ioff Quartier Buch Vber der Röm: 
Kay. May: I-Iaubt l und Residenz-Stadt Wienn de Anno x566", wo auf fol. 220 
[„die Sininger straß zur rechten hinab"] unter Nr. 960 das ehemalige Cuspinian- 
Haus, das damals dem Gatten der Enkelin Cuspinians, Lorenz Osterrnair, 
gehörte,""'""ausführlich beschrieben ist. Da werden zunächst die Räumlichkeiten 
„bei der Erden" verzeichnet, Keller, Gewölbe, 3 Ställe, „zween höf", r „gärtel", 
dann folgen die Zimmer und Stuben „im ersten Gaden", hierauf die Gemächer 
„im hindtern stogkh zur lingkhen", und zwar r st(ube), 1 st(üb)l, 1 C(ammer), 
1 Capell, r kh(uche)l bey der erden". Hier haben wir also das „sacelluni 
meum", von dem Cuspinians Tagebuch spricht, und jetzt wird uns auch mit 
einem Schlage klar, welche Absicht Cuspinian damit verfolgte, als er sich im 
Oktober 1520 von Strigel porträtieren, gleichzeitig die Sippe auf die Rückseite 
des Kaiserbildes malen und die Sippennamen sowie die Inschrift anbringen 
ließ. Er brauchte einen Bilderschmuck für seine kurz zuvor eingeweihte 
I-Iauskapelle und „adaptierte" zu diesem Zwecke die an sich „Profanen" 
"' Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Band XXX (1909), pag. 319. 
i" Vgl. Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines zu Wien, Band VIII (X865), pag. CVI. Das 
„Cuspinianhaus" steht heute längst nicht mehr. Das an seiner Stelle um die Mitte des XVllLjahrhunderts erbaute 
dreistäckige Gebäude wurde vor einigen Jahren abgerissen und durch jenen modernen Bau ersetzt, in den1_ 
sich jetzt das Cafe „Domhof" befindet. Die bis zur Demolierung (xgu) im Hofe des alten Hauses angebracht 
gewesenen Cuspinianschen Inschrifttafeln wurden von dem Wiener Sammler Dr. Albert Figdor erworben und 
geschenltweise dem Wiener Stadtrnuseum überlassen, wo sie derzeit bis zur Vollendung des neuen Museums- 
gebäudes im Magazin aufgestellt sind. 
""' In der gleichfalls im Archiv des k. u. k. Reichsfmanzministeriums beündlichen „Beschreibung der 
gantzen Stat Wienn. Angefangen worden den zwainzigisten Martij im 1563. jar vnd volendet den ersten Aprilis 
durch R6. Kayserlich vnd lthu. Mt. etc. Quartiermaister Hans jörgen von Preising Ritter vnndt Genrgen Freiden- 
reich" (Signatur: 18637) ist das Haus Nr. 96a (auf fol. 73) noch als „Spiefhamers haus" bezeichnet. Die 
Aufzählung der Räumlichkeiten ist hier nur eine summarische, die Kapelle wird nicht eigens erwähnt. Die 
einzelnen Wohnungen waren an verschiedene Parteien vermietet; „im hindern stogkh" zum Beispiel wohnte 
„Grat? Ernfried von Orttenburgk", die Erben Cuspinians hatten sich bloß 3 Zimmer vorbehalten, die als „von 
den Gerhaben verspertt" angeführt werden. Als dann Lorenz Osterrnair kurz darauf als Gemahl der Tochter 
des Nikolaus Chrysostomus Spießheirner, Magdalene, in das Familienhaus einzog, scheint er die Parteien 
wieder entfernt und das ganze Haus filr sich und seine Angehörigen in Anspruch genommen zu haben.
	        
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