Entwicklung verblieb, doch Selbständiges und Eigenartiges zu schaffen
vermocht hat. Ähnliches ergibt sich für die Bandweberei, obgleich wir hier
nicht in gleichem Maße imstande sind, so viel urkundlich gesicherte und
einem ganz bestimmten Erzeuger zugehörige Arbeiten nachzuweisen, wie
es bei den Seidenzeugwebereien der Fall war.
Wir betonen daher, daß es sich bei den von uns hier abgebildeten
Arbeiten zum großen Teile nur um-vermutlich, nicht um völlig gesichert,
wienerische Arbeiten handelt. Manches kann wohl nur als Denkmal der
Zeit im allgemeinen betrachtet werden. Wenn zum Beispiel Mestrozi,
der in den Jahren 1790 bis 1823 tätig war, in seine Mustersammlung
verschiedene Bänder aufgenommen hat)" so kann er es nur getan haben,
weil es entweder seine Erzeugnisse waren, was wohl bei dem größten
Teile zutrifft, oder weil er sie als Anregung benützen wollte (daraus Abb. 36,
50 bis 98).
Einige andereArbeiten haben wir als Duplikate aus dem Stuttgarter
Landesmuseum erhalten,. das sie, wie wir gehört haben, von einem einge-
wanderten Wiener Bandweber oder dessen Nachkommen übernommen hat
(daraus Abb. 6 bis 14, 23 bis 25). Dann haben wir vor einigen Jahren eine
Sammlung alter Bandmuster (noch auf den alten Papieren aufgeheftet) in
Salzburg erworben, die nach dem früher Gemeldeten wohl als Wiener Erzeug-
nisse angesehen werden können (daraus Abb. 17). Einige weitere Stücke,
die der früheren technologischen Sammlung entstammen, sind übrigens auch
dem Namen der Urheber nach gesichert.
Das ursprüngliche Anlehnen der Wiener Erzeugung zeugt jedenfalls
nicht gegen die Kunstfertigkeit oder geistige Eigenart Wiens, sondern
entspricht einfach der natürlichen Entwicklung. Denn wie im Leben des
Einzelnen die Selbständigkeit des Geschaffenen auch beim Hochbegabten
nicht am Anfange der Tätigkeit steht, sondern erst allmählich hervortritt,
so ist es auch bei einer größeren Gemeinsamkeit der Fall.
Sehr richtig heißt es schon in einem alten Anfsatze „Über den Geist
der Berliner in Ansehung der Erlindungfülci „Die Berliner mußten den
allgemeinen Weg der gesamten Menschheit zur Ausbildung gehn - von
Erstaunen und Bewunderung zur Nachahmung und von dieser zur Origi-
nalität."
Wir haben gesehen, daß es auf unserem Gebiet in Österreich in
Hinsicht auf die Technik allmählich zu außerordentlich originellen
Gedanken gekommen ist; rein künstlerisch läßt sich das Errungene
einstweilen wohl nur deshalb nicht so klar fassen, weil wir über die
Leistungen anderer Orte noch zu wenig unterrichtet sind, so daß eine
klare Scheidung nicht möglich ist. Immerhin haben wir bei vielen der
hier gebrachten und uns sonst bekannten Stücke das Gefühl, daß in
ihnen, wie etwa in den alten Seidenzeugwebereien Wiens, eine eigen-
"F Über diese Sammlung: "Kunst und Kunsthandwerk" 1915, Seite 386 f.
W Von L-d „Journal des Luxus und der Mode" 1787, Seite 16x.