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Volltext: Monatszeitschrift XIX (1916 / Heft 11 und 12)

Fertigkeit gehöret zu dem einen wie zu dem anderen, dieß aber vermag kein 
Befugniß, sondern nur eigenes Interesse sich zu verschaffen und zu erhalten." 
Nach der Schweiz kamen die Mühlstühle, wie wir noch hören werden, 
zunächst aus den Niederlanden; auch bei Krefeld war dies offenbar der Fall. 
Doch ist damit immer noch nicht gesagt, daß die Erfindung oder auch nur 
die hauptsächliche Ausbildung des Gedankens tatsächlich in den Nieder- 
landen erfolgt sein müsse. 
Auffälligerweise wird uns (durch den Italiener Lancelotti schon im 
Jahre 1636) von einem Stuhl zur gleichzeitigen Herstellung mehrerer 
(4 bis 5) Bänder berichtet, der im Jahre r 580 in Danzig zu sehen war." Und 
es klingt wie die richtige Einleitung zur weiteren Geschichte der schnell- 
arbeitenden Stühle, wenn uns zugleich gemeldet wird, daß der Rat der 
Stadt, um eine Neuerung zu verhindern, die so manchen Arbeiter hätte 
brotlos machen können, den Erfinder heimlich ersticken oder ersäufen ließ. 
Wir Neuere halten so etwas für unmöglich; wenn wir uns aber erinnern, 
wie es Jacquard und anderen Erfindern ergangen ist, kann uns eigentlich 
nur die Kürze des Prozesses verwundern. 
Jedenfalls hatte die ganze Neuerung, mag sie nun von diesem oder jenem 
Orte ausgegangen sein, einen wahren Leidensweg durchzumachen. Im Jahre 
1664 wurde sie zum Beispiel in Nürnberg verboten, desgleichen in den spa- 
nischen Niederlanden, im Jahre x676 in Köln. Im Jahre 1685 erließ der Kaiser 
sogar ein Verbot für das ganze Reich, ein Verbot, das im Jahre 1719 erneut 
und noch dahin ergänzt wurde, daß auch keine auf Mühlstühlen hergestellte 
Ware nach Deutschland eingeführt werden dürfe. Denn schon im Jahre 1712 
hatte man darüber geklagt, daß aus Genf, Basel, Lyon und anderen Orten 
außerhalb des Reiches „fast unglaubliche" Mengen von Mühlarbeiten ein- 
geführt würden. Auch erfahren wir, daß damals „dergleichen Werk schon 
bis zu 40 Gängen" hatte und durch Wasserkraft Tag und Nacht in Tätigkeit 
erhalten werden konnte. 
Kursachsen ließ noch im Jahre 1720 ein Verbot ergehen. Trotzdem 
begreift man, daß ein solches Ankämpfen gegen eine technische Verbesse- 
rung auf die Dauer aussichtslos sein mußte. So ließ denn Charlottenburg 
zum Beispiel im Jahre 1718 Mühlstühle aus Holland kommen, und Kur- 
sachsen hob das Verbot im Jahre 1765 auf, „weil die Umstände sich 
geändert hätten"; ja es setzte auf die Errichtung der neuen Stühle sogar 
eine Belohnung aus. Und in Osterreich werden wir das dann ebenso finden. 
Frankreich erhielt einen Bandmühlstuhl für Samtbänder im Jahre 1775 
bezeichnenderweise schon aus Krefeld." 
In manchen Gegenden dauerte der Widerstand allerdings noch sehr 
lange; so wehrten sich die Posamentierer in Annaberg noch im ersten Viertel 
des XIX. Jahrhunderts gegen die Neuerung, wenn man damals noch von 
einer solchen sprechen darf. 
i Eduin Siegel, „Zur Geschichte des Posamenüerergewerbes", Annaberg, 1892, Seite 9a. 
"' Siegel, a. a. 0., Seite 92.
	        
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