nach irgend einer Richtung, sei es der religiösen oder freigeistigen,
sei es der pessimistischen oder optimistischen, der egoistischen oder
altruistischen octroyiren will, versündigt sich am Wesen der Kunst,
beschränkt ihre Wirkung auf einzelne Seiten des menschlichen Wesens,
während sie sich doch auf alle ausdehnen sollte. Nur in der Kunst ist
der Mensch, wie schon Schiller erkannte, ganz Mensch, nur in ihr kann
er sich über die Einseitigkeit seines Daseins emporheben. Aber er
kann es nur, wenn die Kunst für sich das Wort wahr macht, dass
nichts Menschliches ihr fremd ist.
Damit ist auch die Grenze der normativen Ästhetik bestimmt.
Der Ästhetiker kann Gesetze nicht über den Inhalt, sondern nur über
die Art geben, wie dieser Inhalt von der Kunst zur Anschauung
gebracht werden soll. Die Formen der künstlerischen Darstellung, die
Mittel zur Erzeugung der ästhetischen Illusion, das sind die Fragen, die
in erster Linie den Gegenstand der ästhetischen Normirung zu bilden
haben. Den Inhalt der Kunst schafft nicht der Ästhetiker, nicht
einmal der Künstler, den schafft die Welt, das Leben selbst in seiner
Vielseitigkeit und seinem herben Zwange. Er steht nicht unter dem
Willen des Menschen, sondern unter dem Gesetz der Natur. Man
kann einen Juwelier wohl lehren, wie er einen Edelstein zu schleifen
und zu fassen hat, damit sein Glanz möglichst zur Geltung komme.
Aber man kann ihn nicht lehren, wie er die Sonne scheinen lassen
soll, damit sich ihr Licht möglichst wirksam in ihm spiegle.
SCHMIEDEISERNE GRABKREUZE IN
TIROL Saß VON JOHANN DEININGER-
INNSBRUCK S0
IE kleinen Dorf-Friedhöfe in den Alpenländern
und namentlich in Deutschtirol haben
bezüglich der Inschriften auf ihren be-
scheidenen Denkmalen vom Standpunkte
des Studiums der Volkspoesie schon
mehrfach eine literarische Würdigung
erfahren. Sie bergen aber unter ihren viel-
fältig gestalteten Grabkreuzen überdies
eine so ansehnlicheZahl gediegenerWerke
alter Schmiedekunst, dass es sich wohl
V der Mühe lohnen mag, diese Erinnerungs-
zeichen auch in kunsttechnischer Hinsicht näher zu betrachten,
umsomehr, als leider in neuerer Zeit die sich häufende Anwendung
[fZE
Ggl