der Figürchen in Betracht zieht - eine mei-
sterhafte Leistung, derengleichen man nur
in den Werken des Berliner Altrneisters
Gottfried Spiller suchen wird. Und beim
Vergleich mit den dem Spiller bisher zuge-
wiesenen Arbeiten wird man mühelos zwei
Pokale Finden, die sich als unverkennbare
Geschwister des Bacchantenglases erweisen
und daher nunmehr als weitere Werke des
Franz Gundelach anzusprechen sind. Das
ist erstens der Pokal mit dem schlafenden
Mädchen im Berliner Kunstgewerbemuseum
(Abb. 2), der bis auf ganz nebensächliche
formale Abweichungen völlig mit dem neuen
Glas identisch ist, und zweitens der Pokal
mit dem prächtigen Profilbrustbild des
Landgrafen Carl von Hessen im königlichen
Museum zu Cassel (Abb. 3)?"
Von diesen beiden Arbeiten habe ich in
meiner Geschichte des brandenburgischen
Glases behauptet, daß sie den künstlerischen
Höhepunkt von Spillers Schaffen bedeuteten,
und speziell von dem Landgrafenporträt
habe ich erklärt, daß es „das Vollkommenste
ist, was seit den Tagen der antiken Portland-
vase überhaupt in Glasschnitt hervorgebracht
worden ist". Diese letzte Behauptung halte
ich auch heute noch aufrecht, nur geht das
Lob, das ich damit dem Berliner Meister
spendete, jetzt auf den hessischen Hofglas-
Schneider Gundelach über.
Zur Ehrenrettung Spillers aber muß
gleich hier gesagt werden, daß er sich eben-
bürtig neben seinem westdeutschen Kon-
kurrenten hält, denn seine sicheren, durch
Abb. 3.
Pokal von Franz Gundelach, Cassel, um
x7oo (Königliches Museum in Cassel)
die signierte Kanne in Sigmaringen beglaubigten Werke verraten besonders
im Tiefschnitt die gleiche Meisterschaft bei überraschend ähnlicher Form-
gebung. Diese starke Übereinstimmung in den Arbeiten der beiden Glas-
schneider darf meiner festen Überzeugung nach nicht etwa bloß als eine
Wirkung des Zeitstils angesehen werden, sondern wir müssen nach einem
innigeren Zusammenhang suchen. Und den finden wir in der zwar vorläufig
nicht durch Dokumente zu beweisenden, aber doch absolut überzeugenden
x Beide Pokale in Lichtdruck abgebildet und beschrieben in des Verfassers Buch „Brandenburgische
Gläser". Berlin r9r3. Tafel 14.