Gerhards Gruppe wirkt
geschlossener, ein-
heitlicher. In der un-
ruhigen, eckigen, aber
schwungvollen Füh-
rung der Umrißlinien,
dem mannigfaltigen
Spiel der Lichter auf
den vielfach gebro-
chenen und gewun-
denen Flächen äußert
sich sein malerisch
empiindendes nordi-
sches Temperament,
während auf den Aus-
druck der Gemütsbe-
wegung in den Ge-
sichtszügen des Mi-
chael hier wie sonst
weniger Wert gelegt
ist. Die Psychologie
des Barockstils liegt
ihm noch fern. Das
Gewand ist so ange-
ordnet, daß die Körper-
formen und namentlich
die Funktionen der
Gelenke, zum Beispiel
lder Kniee, deutlich
Sichtbar werden, Als Abb. 17. nimm Gerhard, Holzgeschnitzte Pietä in der Michaelskirche zu
dekoratives Schau- Manch"
stück auch heute noch von starker Wirkung, muß Gerhards St. Michael
„eine der bezeichnendsten und wertvollsten Leistungen der am Münchner
Hof begünstigten internationalen Spätrenaissance" (Dehio) genannt werden.
Einen ganz anderen Charakter weist seiner praktischen Bestimmung
gemäß der Engel mit dem Weihwasserbecken auf (Abb. 8). In gerader
Haltung und völliger Frontalstellung, regungslos wie eine Karyatide, steht
er da, den Blick geradeaus gerichtet. Nur die eleganten, nervös auf dem
schwarzen Marmorbecken spielenden Finger verraten inneres Leben?! Die
leicht aufgestülpte Nase verleiht dem Gesicht einen rokokoartigen Typus,
der auch sonst in dieser Zeit nicht selten ist. Ruhig fließen die Falten an
der hohen Gestalt herab, deren Proportionen, wohl in Rücksicht auf den
"F Diese Finger und der Umstand, daß die Flügel angenietet sind, haben wohl zu der Legende Ver-
anlassung gegeben, daß der Engel ehemals eine heilige Cäcilie gewesen sei. - Höhe der Figur 1'8c Meter.