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Volltext: Monatszeitschrift XXI (1918 / Heft 3 und 4)

Urkunden über Antonello hat er sich nicht gekümmert, nur um die Bilder, die diesem von 
der Tradition zugeschrieben werden: diese sah er an, prüfte er, verglich er, schied das 
Gemeinsame aus, gelangte dadurch zur Charakteristik eines eigenartigen bedeutenden 
Künstlers; ob die Bilder mit Recht oder Unrecht einem Mann, der jenen Namen trug, 
zugeschrieben werden, daran lag ihm wenig. wie er denn zuletzt überhaupt den Wechsel 
in den Zuschreibungen hervorragender Kunstwerke gar nicht mehr verfolgte, über die 
„Attribuzler" und ihre so oft recht vergebliche Mühe spottete." Und so wie er als Historiker 
seine Aussagen und Urteile sehr häufig verbringt, ohne zu ihrer Begründung irgend eine 
Belegstelle zu geben, so weist er mitunter Kunstwerke ohne einen urkundlichen Anhalt 
bloß nach seinem Gefühl unbedenklich einem bestimmten Künstler zu oder interpretiert 
etwas in sie hinein. Für seine Auffassung des Konstantin bringt er v darin haben ja seine 
Kritiker recht - kein einziges Beweisstück bei und wenn er ein Porträt der Munizipal- 
galerie in Mailand ohne weiteres eben jenem Antonello zuschreibt und dies bloß damit 
begründet, daß „keine andere Attribution möglich ist", oder in der Madonna di S. Girolamo 
des Correggio in Parma den Künstler eine „neue Rechnung" (die der moralischen Äquiva- 
lente an Stelle der früheren malerischen) beginnen läßt und hinzusetzt: ob sich Correggio 
oder sonst ein Meister hierüber Rechenschaft gegeben, wisse er nicht: er habe nichts vor- 
zubringen als seine Vermutung, so wird der exakte Forscher das Recht haben, sich damit 
ebenso nicht zufrieden zu geben wie die Historiker, die seine Auffassung des Konstantin 
abgelehnt haben. Aber nicht nur daß er seine Quellen nie in den Archiven suchte, sondern 
auf Straßen und Plätzen, in Kirchen und Palästen, in Museen und Galerien, er stand auch 
diesen mit einer souveränen Freiheit gegenüber, die bisweilen hart an Willkür streifte. 
Der Vorwurf, daß er die einschlägige Literatur gar nicht oder doch zu wenig herangezogen 
hat, trifft ihn hier ebenso wie dort: seinen Vasari kannte er wohl sehr genau und noch 
wenige Wochen vor seinem Tode fand ihn ein Besucher über der Lektüre alter „Vite de' 
pittori" - „die Katze läßt das Mausen nicht" sagte er - aber neuere Arbeiten hat er 
eigentlich nur ausnahmsweise herangezogen; es fällt einem ordentlich auf, wenn er zum 
Beispiel in der Studie über das Altarbild einmal eine Monographie wie die von Cornelius 
über Jacopo della Quercia zitiert; in den „Erinnerungen an Rubens" findet sich von neuerer 
Literatur nur Gurlitts „Geschichte des Barockstiles", Fromentins „Maitres d'autrefois", 
das Waagensche Textheft zum Rubens-Album, Frimmels „Handbuch der Gemäldekunde" 
und Woermanns „Geschichte der Malerei" - also fast durchaus Nachschlagebücher k 
in den Fußnoten genannt. Es ist ja wahr, er kannte viel mehr als er nannte, aber immer- 
hin ist da von einer „Beherrschung der Literatur" ebensowenig die Rede wie etwa in 
seiner griechischen Kulturgeschichte. Nicht aus Geringschätzung kümmerte er sich so 
wenig um sie, sondern weil ihm das Studium der Denkmäler, das ihm unendlich wichtiger 
schien, dafür keine Zeit ließ. Dazu kommt noch, daß ihm der Trieb, einen Gegenstand 
völlig zu erschöpfen, der so manchen Gelehrten sein ganzes Leben in Untersuchungen über 
eine kleine Spanne Zeit oder gar eine einzelne Persönlichkeit hinbringen läßt, ganz fremd 
war. Seine „Zeit Kaiser Konstantins" wie seine „Kultur der Renaissance in Italien" hat 
ihn ein jedes nicht länger als zwei Jahre in Anspruch genommen: ein Jahr für die Quellen- 
lektüre, ein zweites für die Ausarbeitung. Mehr Zeit nahm er sich eingestandenermaßen 
überhaupt nicht für denselben Vorwurf: zwanzig Jahre über einem Leben Raffaels zu 
studieren wäre ihm bei allem Enthusiasmus für diesen Künstler ebenso unmöglich gewesen 
wie über einem Leben Napoleons. Dazu war sein Interesse zu vielseitig, seine Neugier 
auf zuviel Dinge und Menschen gerichtet. Und so sind denn auch alle seine Schriften über 
Kunst, vom „Cicerone" bis zu den „Erinnerungen an Rubens", in verhältnismäßig kurzer 
Zeit entstanden und was er einmal abgeschlossen hatte, auf das grilT er fast nie wieder 
zurück. Eine Ausnahme wie die zweite Auflage der „Zeit Konstantihs" gibt es in seiner 
Kunstschriftstellerei nicht; vom ,.Cicerone" hat er bekanntlich schon die Besorgung der 
zweiten und dann aller folgenden Auflagen anderen überlassen und wenn er in dem 
' Nach Wölfflin im „Repertorium für Kunstwissenschafl", 1897, Seite 344.
	        
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