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Volltext: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 11 und 12)

europäische Interesse nachhaltig für die 
Kleinkunst des fernen Ostens in Anspruch 
nahm. Justus Brinckmann begann damals 
die Sammlung seines Hamburger Museums 
anzulegen. Nicht viel später setzte die 
Bewegung in Paris ein. Sie trug, besonders 
durch die feinsinnigen Schriften der Brüder 
Goncourt, viel zur Würdigung japanischen 
Geistes bei. Die planmäßige Einfuhr des 
Hamburger Händlers S. Bing bewirkte dann, 
daß Paris der Hauptsitz japanischer Samm- 
lungen wurde, in den von ihm geleiteten 
Versteigerungen der Maison Drouot brachten 
immer phantastischer steigende Preise die 
wachsende Wertschätzung des äußersten 
Orients zum Ausdruck. Aber die Kunst, um 
die es sich dort handelte, war eine Kunst 
der geiiossenen Glasuren und Lackarbeiten, 
der lnros und Netzukes, geschmack- und 
humorvoller Kleinigkeiten, die den galanten 
Spender von Bibelots nicht weniger inter- 
essierten als den kunstgewerblichen Fach- 
mann. Man mußte schon den hellsichtigen 
Blick eines Raymond Köchlin besitzen, um 
daraus eine Sammlung zusammenzustellen, 
die dem durchschnittlichen Salonhalter nicht 
mehr erreichbar war. Aber es gab doch 
vverkq aus denen eine gröpere Seele _Zu Ausstellung österreichischer Kunstgewerbe. 
reden schien. Erlesenen Arbeiten der Klein- Gmundene, Keramik 
kunst folgten ganz allmählich plastische 
Werke von einer hohen und seltenen Qualität, und ihre Wirkung auf die teilnehmende 
Kunstwelt war um so größer, als Europa selbst in dieser Zeit eine Wandlung vom 
Dekorativen zum Religiösen erlebte. Die eindringende Entdeckung des Ostens entsprach 
also seinen tieferen Bedürfnissen. So kalkulierte die buddhistische Mission nicht übel, als 
sie allmählich mit der Herausgabe buddhistischer Tempelschätze in Japan begann. Durch 
sie wurde das Interesse für die frühen kultlichen Werke ins Leidenschaftliche gesteigert, 
und Forscher wie Große und Kümmel begaben sich persönlich nach Japan, um das Dunkel, 
das über ihren Ursprung lagerte, zu lichten. Vieles wurde durch sie geklärt und Wertvolles 
erworben, das noch der Ausstellung in den Berliner Museen harrt. Niemand aber konnte 
ahnen, daß uns eine so erschütternde Überraschung bevorstehen würde, wie sie das Werk 
eines bisher völlig unbekannten jungen Forschers uns beschert. 
Karl With, Hanseate von Geburt, studierte an der Ostasiatischen Abteilung des kunst- 
historischen Instituts der Universität Wien, als ihn Oskar Vonwiller im Sommer des 
Jahres x9x3 zu einer Forschungsreise nach Japan einlud. Die Gunst der Gelegenheit traf 
diesesmal einen Mann, der zu einer großen Entdeckung alles mitbrachte: feinsten Instinkt 
für verborgene Schönheit und seelischen Wert, Schmiegsamkeit des Geistes aller Fremd- 
heit gegenüber, unverbrauchtes Einstellungsvermögen und eine erstaunliche Gabe, für 
niemals ausgesprochene Dinge die letzte und treffendste Formulierung zu finden. With 
war von allen deutschen Forschern der erste, der entschlossen zu japanischer Lebens- 
weise überging, den Kimono anlegte, ein Haus mit Papierwänden bezog, den Reis mit 
Holzstäbchen aß und den ganzen possierlichen Kodex japanischer Lebensführung mit 
Behendigkeit und Gravität auszuüben lernte. So galt er den formbewußten Japanern, mit 

	        
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