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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / Heft 4, 5 und 6)

Eltern, die noch lebten, die Brüder, seine Lehrer und die Freunde derjugend. 
Es war eine Pilgerfahrt von einem zum andern, und ein Abend vereinigte 
einmal alle zusammen im Waldstein-Garten des Praters. Da wurde der alte 
Ton angeschlagen, doch weil es der alte sein sollte, konnte er nicht mehr 
stimmen; mit manchem war er um viele Takte voraus. Einst hatte er alles 
kühne Jugendhoffen geteilt und fröhlich mit den Fröhlichen gelebt; 'seitdem 
war er weit gewandert und wenn er in die lieben alten Gesichter sah, fühlte 
er schmerzlich die Entfremdung. Wie Wenige wissen aus der jugend den 
Mann zu gestalten, die Seltensten das Alter auf den Mann zu gründen; der 
Mann ist zumeist ein verblühter Jüngling und der Greis eirrverfallener Mann. 
Bitters Vater starb kurz nach diesem Besuche der Heimat; um der 
Mutter ihren Abend zu vergolden, zog der Sohn mit seiner Familie noch 
einmal auf einige Sommermonate nach Wien und schuf still in einem Garten- 
atelier in Hietzing, das ihm sein alter Freund, Bildhauer Othmar Schimkowitz, 
eingeräumt hatte. Zwei seiner reifsten Sachen sind da entstanden: das Stand- 
bild des Staatsmannes Karl Schurz für dessen Denkmal in New-York und eine 
kleinere Arbeit: das Reliefbild zu Pferde des Präsidenten Cassat der Pennsyl- 
vania Railroad, die sich beide von den Wiener Anfängen am weitesten ent- 
fernen. Bitter wußte streng zwischen Bewegung und geistigem Ausdruck 
zu scheiden und erkannte, daß sie sich gegenseitig meist ausschließen; er 
konnte in manchen Arbeiten - einige Brunnengruppen sind dafür bezeich- 
nend - die Bewegung bis ins Ausgelassene steigern, in diesen ist sie aufs 
Geringste eingeschränkt, dabei so sprechend, daß der Blick, indem er über 
Formen zu gleiten scheint, in die Tiefe eines Charakters und eines Lebens 
dringt. Stoff und Form, in denen die Meisten ihr Leben lang befangen sind, 
hier werden sie gemeistert und überwunden. Dies ist wirklich ein Staatsmann 
voll Gedanke und Verantwortung, ein Stetiger, der immer auf seinem Posten 
ist, ein Einsamer hoch über den wirren Wünschen der Menge, ein ehr- 
fürchtiger Wanderer unter Gottes Himmel, ein Unüberwindlicher, weil mit 
der Idee im Bunde, ein Bescheidener - doch wenn er den Mund zur Rede 
öffnet, bis an die Sterne wachsend. Cassat: eine „Persönlichkeitß doch von 
der Menschen Gnaden. Wie das Kleid ihm anliegt, paßt er sich an das Amt 
und doch bleiben Kleid und er und Amt und er einander fremd. Doch schwört 
er auf sein Amt: bricht das Amt, muß er mit ihm zerbrechen. Doch hält es 
und so sitzt er fest im Sattel seiner Würde. Er sucht nicht die Gewalt in sich: 
ihm ist sie ja gegeben; beugst du dich ihr, dann wirst du klug, ein Rädchen 
und ein Hammer, der die Stunden schlägt - doch bleibst du Gott und 
Menschen fremd. 
Diese Beiden sind ein recht ungleiches Gespann. Bitter sollte Gelegenheit 
haben, eine Gegenüberstellung, die hier rein zufällig vorliegt, von höherem 
Gesichtspunkt noch einmal aufzunehmen und wie auf gewaltiger Wage das 
Gewicht zweier Männer zu prüfen, deren Geist und Charakter sich durch das 
ganze amerikanische Leben zieht. Es sind die Staatsmänner Thomas jefferson 
und Alexander Hamilton für das Court House in Cleveland. Mit ihren Schriften
	        
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