Schnitzer, Schwertfeger, Helmschmiede und Plattner, zu Ende des Jahr-
hunderts gibt es eine Straße der Münzer, welche als solche und als Bankiers
eine große Rolle spielen, 1303 wird das „Streslein unter den Goldschmieden"
genannt, welche mit ihren Betriebsverwandten das ganze Gebiet von
St. Stephan bis zum Hohen Markt belegen. Schon sind die Zusammen-
gehörigen zu Zünften vereinigt mit steigendem Einilusse nicht in der
Stadtpolitik, aber im Wirtschaftsleben und neben die alte, nach bestimmten
Grundsätzen und den Ergebnissen längst bestehender Verkehrsrücksichten
orientierte ostmärkische Handelspolitik treten die Anfänge einer nicht
minder wichtigen Gewerbepolitik. Es ist sehr viel gesagt, wenn Ottokar
von Steier in seiner die Zeit von der Mitte des XIII. bis zum Anfang des
XIV. Jahrhunderts umfassenden Reimchronik ausspricht: „Das groessist
Volk, das Wienne hat, das sind handwerkäre" und er nennt ungefähr
50 Gruppen, darunter: Leder- und 'I'ucharbeiter, Wollweber, Färber,
Stricker, Seidennäher, Münzer, Goldschmiede, Gürtler, Glocken- und Zinn-
gießer, Eisenschmiede, Bogner, Drechsler, Schreiner, I-Iafner und Schild-
maler. Aber der Handel ist doch immer die stärkere Potenz in Wien.
Eulenburgi" hat auf die Zwischenstellung hingewiesen, welche Wien ein-
nimmt, zwischen den eigentlichen Zunftstädten (Ulm, Augsburg, Basel,
Straßburg) und den Städten mit überwiegendem Handelscharakter (Lübeck,
Breslau und anderen). Es kommt für Wien für lange Zeit aber auch noch
etwas anderes in Betracht: der starke Einschlag agrarischer Interessen,
indem fast jeder Bürger außerhalb der Stadt und bis dicht an ihr Gelände
Weinberge besitzt für eigenen Bedarf und als Mittel zum Betriebe eines
Handels im Nebenberuf, der sich mit sonstiger I-Iandelstätigkeit und gewerb-
licher Arbeit verbindet und den Städter mit dem Lande in steter Ver-
bindung hält, ihn körperlich ertüchtigt und mit der Natur und den ländlichen
Volkskreisen in stetem Zusammenhang bleiben läßt. Dieser Umstand, vor
allem aber die landesherrliche Politik hat immer dafür gesorgt, die geistige
und physische Entwicklung der Gewerbetätigen in Fluß zu erhalten; die
Wiener Gewerbe waren, da sie keine politische Machtstellung zu erringen
vermochten, auch außerstande, sich abzusperren wie andere. Immer aufs
neue und zu gewissen Zeiten in sehr umfassendem Ausmaße strömen neue,
frische Elemente zu, ob die alteingesessenen Handwerker dies wollten oder
nicht.
Diese politische und wirtschaftliche Notwendigkeit ergab sich vor allem
dann, wenn schwere Ereignisse den städtischen Wirtschaftskörper angegriffen
hatten und zu vernichten drohten. So hat Ottokar im jahre 1276, als Wien
durch eine Reihe schwerer Brände größtenteils zerstört war und seine äußere
und innere Aufrichtung mit den vorhandenen Kräften unmöglich schien,
die Innungen „omnium artiiicum" aufgehoben, um durch Erleichterung des
Zuzuges vom Lande die Ausführung der dringendsten Arbeiten dauernd
sicherzustellen. Die lange, zähe Erhaltung des volkskünstlerischen Elementes
"' „Zeitschrift für Sozial- und Wirtschafrsgeschicbte" I, 1893 f. („Das Wiener Zunftwesen").
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