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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / Heft 7, 8, 9 und 10)

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burger Ziboriums in Kupferschmelz mit seiner wunderbaren frühgotischen 
Zeichnung zu einem Werke allerersten Ranges, das nur durch die Verbindung 
altbewährter Tradition mit durchaus modernen Ideen und ausgereifter Welt- 
läuligkeit zu erklären ist. Eine Werkstätte, aus welcher das Melker Kreuz 
hervorging, muß über die allerbesten Kräfte verfügt und der Wirtschafts- 
stellung des heimischen Handwerks die größten Dienste geleistet haben. 
Die Stürme und Kämpfe der Zeit, Welthändel und die unaufhörlichen 
Zwistigkeiten lokaler Art mit ihren Zerstörungen und Behinderungen der 
friedlichen Arbeit konnten sie in ihrer Entwicklung und materiellen Frucht- 
barmachung wohl hemmen, aber immer steigt ihre Lebensfähigkeit wieder 
empor. Weit früher als Limoges sich seine Stellung als Stätte edelster 
Kupferschmelzarbeit erringt, wirken f-landrische Vorbilder auf die Wiener 
Schmelzkunst und setzen sie in den Stand, solche Glanzleistungen hervor- 
zubringen wie die sogenannten flandrischen Schmelzbecher, die sich im 
kunsthistorischen Museum befinden. Das können keine Einzelerscheinungen 
gewesen sein, die ohne lange, lohnende Vorarbeit zustande kamen, auch 
setzen sie das volle Verständnis der Zeit und ihre Bereitwilligkeit voraus, 
die Produktivität solcher Werkkunst zu sichern. Auch ein Werk wie der 
Corvinusbecher, dessen östliche Filigranschmelztechnik über Venedig nach 
Österreich kam, ist viel eher auf eine Wiener oder Wiener-Neustädter 
Werkstatt zu verweisen als auf Ungarn, dessen Goldschmiedearbeit damals 
dieser Technik entbehrte und mehr oder minder unter dem Einflusse 
italienischer, also nicht mehr gotischer Künstler und Formensprache ge- 
standen ist. Wenn aber dieser Becher, der ein außerordentliches Können 
zeigt, auf österreichischem Boden geschaffen wurde, dann kann er ja auch 
nur als ein weiterer Beweis der großen wirtschaftlichen Kraft bewertet 
werden, die dem heimischen Kunsthandwerke damals bereits innewohnte. 
Aeneas Sylvius schildert das reiche, behäbige, selbstbewußte Wien der 
Mitte des XV. Jahrhunderts; das unter niederländischem Einiluß ent- 
standene, im Schottenstifte befindliche reizvolle Bild der Heimsuchung, 
deren Hintergrund die Kärntnerstraße mit dem Blick auf behäbige Bürger- 
häuser, auf St. Stephan und die alte Peterskirche darstellt, bietet eine treff- 
liche Illustration zu jener Schilderung eines gewerbetätigen, wirtschaftlich 
blühenden, ganz auf die Kraft des Bürgertums gestellten Gemeinwesens, in 
dem das Kunsthandwerk in langer, zäher, zielbewußter, von Bodenständigkeit 
und Weltsinn erfüllter Arbeit sich zu einer wichtigen Stellung im Stadt- und 
Staatshaushalte erhoben hatte und sie zu bewahren und weiterzubilden 
verstand. 
Ein Sonderkapitel von größter Fruchtbarkeit und wirtschaftsgeschicht- 
licher Bedeutung stellt die Geschichte der innerösterreichischen I-Iafnerkunst 
dar, welche in Nieder- und vor allem in Oberösterreich sowie in Salzburg 
eine große Rolle gespielt, die städtische Kultur bereichert und gehoben und 
vielen Menschen durch Jahrhunderte lohnenden Erwerb verschafft hat. 
Neben der Goldschmiedekunst ist sie eine der stärksten Kraftquellen des
	        
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