oder unter der Grenze des Existenzminimums, daß sie nie zu kleiner Kapitals-
bildung, zu Besitz kommen konnten. Der kleine Besitz war der natürliche
Erfolg der Lebensarbeit in den Zeiten der Handwerksproduktion und an
"ihn knüpfte sich die Tradition. Die industriellen Arbeiter waren ferner durch
das Ausmaß ihrer Entlohnung gezwungen, für ihren Bedarf sich wieder
der billigsten und charakterlosen Industrieerzeugnisse zu bedienen, deren
ständiger Gebrauch den natürlichen Geschmack des Volkes verdarb und
seinen Qualitätssinn fälschte. Endlich wurde die Entwurzlung des indu-
striellen Arbeitsheeres besiegelt eben durch das bisherige Mietkasernen-
system, dessen Wohnungen durch keine Auskunftsmittel zur Wirkung eines
Heimes gehoben
werden können.
Als aus die-
ser Entwurzlung
die Verfiachung
undAbstumpfung
des Volkes fol-
gerte und sich in
allem bemerkbar
machte, suchte
man mit geistigen
Mitteln dagegen
anzukämpfen. Re-
ligion, Volksbil-
dung und auch
die Kunst wur-
den zur Abhilfe
gewfen- DuTCh Ausstellung „Einfacher Hausrat". Wiener Weichmöbelfabrik johann Staf, Schlaf-
Schaustellung er- zimmer, Fichte, lichtbraun geheizt und eingelassen, mit dunkelbraunen Stäben,
entworfen vom Architekten Karl Bräuer
erbten und neu-
geschaffenen Kunstgutes in Museen und Galerien sollte dem Volk auf
diesem künstlichen Wege Gelegenheit und Anregung zur Geschmacks-
bildung gegeben werden. Aber der kalte Weg beziehungsloser Betrachtung
wurde von den im Normenzwange ihres Lebens ermüdeten und ab-
gestumpften Menschen nicht begangen, oder nicht anders als zur flüchtigen
Reizaufnahme an langweiligen Sonntagsmorgen. Für den warmen Weg
der Geschmacksbildung durch einfühlendes, innerlich mittätiges, wählendes
Erleben eines qualitäts-, vielleicht sogar individualwertigen Objekts zum
eigenen Besitz konnte die Galerie keinen Ersatz bieten. Nur die Kunst-
gewerbemuseen gelangten zu Einfluß, weil sie sich nicht auf die passive
Sammel- und Konservierungstätigkeit beschränkten, sondern vom Anfang
an zielbewußt auf die Produktion selbst Einfiuß nahmen. Außerdem wurde
durch angegliederte Schulen für die Heranziehung kunstgewerblicher Produk-
tionskräfte Sorge getragen. Das Angebot muß das Bedürfnis wecken und