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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / Heft 11 und 12)

oder unter der Grenze des Existenzminimums, daß sie nie zu kleiner Kapitals- 
bildung, zu Besitz kommen konnten. Der kleine Besitz war der natürliche 
Erfolg der Lebensarbeit in den Zeiten der Handwerksproduktion und an 
"ihn knüpfte sich die Tradition. Die industriellen Arbeiter waren ferner durch 
das Ausmaß ihrer Entlohnung gezwungen, für ihren Bedarf sich wieder 
der billigsten und charakterlosen Industrieerzeugnisse zu bedienen, deren 
ständiger Gebrauch den natürlichen Geschmack des Volkes verdarb und 
seinen Qualitätssinn fälschte. Endlich wurde die Entwurzlung des indu- 
striellen Arbeitsheeres besiegelt eben durch das bisherige Mietkasernen- 
system, dessen Wohnungen durch keine Auskunftsmittel zur Wirkung eines 
Heimes gehoben 
werden können. 
Als aus die- 
ser Entwurzlung 
die Verfiachung 
undAbstumpfung 
des Volkes fol- 
gerte und sich in 
allem bemerkbar 
machte, suchte 
man mit geistigen 
Mitteln dagegen 
anzukämpfen. Re- 
ligion, Volksbil- 
dung und auch 
die Kunst wur- 
den zur Abhilfe 
gewfen- DuTCh Ausstellung „Einfacher Hausrat". Wiener Weichmöbelfabrik johann Staf, Schlaf- 
Schaustellung er- zimmer, Fichte, lichtbraun geheizt und eingelassen, mit dunkelbraunen Stäben, 
entworfen vom Architekten Karl Bräuer 
 
erbten und neu- 
geschaffenen Kunstgutes in Museen und Galerien sollte dem Volk auf 
diesem künstlichen Wege Gelegenheit und Anregung zur Geschmacks- 
bildung gegeben werden. Aber der kalte Weg beziehungsloser Betrachtung 
wurde von den im Normenzwange ihres Lebens ermüdeten und ab- 
gestumpften Menschen nicht begangen, oder nicht anders als zur flüchtigen 
Reizaufnahme an langweiligen Sonntagsmorgen. Für den warmen Weg 
der Geschmacksbildung durch einfühlendes, innerlich mittätiges, wählendes 
Erleben eines qualitäts-, vielleicht sogar individualwertigen Objekts zum 
eigenen Besitz konnte die Galerie keinen Ersatz bieten. Nur die Kunst- 
gewerbemuseen gelangten zu Einfluß, weil sie sich nicht auf die passive 
Sammel- und Konservierungstätigkeit beschränkten, sondern vom Anfang 
an zielbewußt auf die Produktion selbst Einfiuß nahmen. Außerdem wurde 
durch angegliederte Schulen für die Heranziehung kunstgewerblicher Produk- 
tionskräfte Sorge getragen. Das Angebot muß das Bedürfnis wecken und
	        
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