Das Programm der Ausstellung lautet wie folgt:
-ln der Reihe der Special-Ausstellungen, welche das Oesterr. Museum seit Jahren
in seinen Räumen zu veranstalten ptiegt, nimmt diejenige, welche unter dem kurzen Titel
des nWiener Congressesu ein Zeitbild ergeben soll, eine besondere Stellung ein. Obwohl
auch sie diejenigen Gegenstände enthalten soll, welche den Inhalt des Museums bilden
und seinem eigentlichen Zwecke entsprechen, so geht doch das Interesse weit darüber
hinaus.
Der Wiener Congress lebt in der Erinnerung der Wiener fort, als, wenn auch
kurze, doch die bedeutsamste und reizvollste Epoche, welche die Stadt in ihrer langen
Geschichte erlebt hat. Noch sind, wenn auch die Theilnehmer jener Tage alle aus dem
Leben geschieden sind und heute schon die Enkel das Geschlecht der Gegenwart bilden,
noch sind die Traditionen in Volk und Familie lebendig. Zahlreiche Portraits haben uns
die Zuge Derjenigen überliefert, welche damals eine Rolle spielten, zahlreiche Gegen-
stände. welche ihnen angehörten, sind erhalten geblieben, zahlreiche Bilder geben uns
einen Begrilf von den Festen und Aufzügen, von den Oertlichkeiten, wo sie stattfanden,
von dem Volke, das ihnen zusah, von dem Luxus und der Pracht, die sie begleiteten,
Aber der Wiener Congress war nicht hloss eine Episode in der Geschichte der
Stadt oder des Landes, er war ein weltgeschichtliches Ereigniss. Es galt, die Welt wieder
in Ordnung zu bringen nach den Veränderungen, welche die langen französischen Kriege
herbeigeführt hatten, nach der Auflösung alles Bestehenden und Hergebrachten in der
politischen Lage Europas und Deutschlands insbesondere. Der Friede war geschlossen,
nothdürftig, aber eine neue Ordnung sollte an die Stelle der alten treten, die sich nicht
mehr wiederherstellen liess. Tausende der verschiedensten lnteressen, Ansprüche und
Forderungen kreuzten sich und sollten befriedigt und versöhnt werden.
Zu diesem Zwecke versammelten sich, eingeladen von Kaiser Franz, die siegreichen
Herrscher Europas, an ihrer Spitze der Kaiser von Rußland und der König von Preußen;
mit ihnen kamen ihre Staatsmänner, Diplomaten, Generals. Es kamen die deutschen Fürsten,
die souveränen und die mediatisirten, möglichst bedacht, in der neuen Ordnung der
Dinge ihre Interessen wahrzunehmen, ihre alten Rechte wiederherzustellen. Es kamen
die Vertreter, wenn nicht die Herrscher selber, aller Staaten, welche von dem Sturm
der letzten Jahrzehnte betrolfen waren - und keiner war ausgenommen. Es folgten ihnen
die Damen, ihre Gemahlinncn und Tochter; es folgten zahlreiche bedeutende, berühmte
oder auch abenteuernde Persönlichkeiten beiderlei Geschlechtes, welche das großartige
Schauspiel, das der Welt hier geboten wurde, herbeizog. Die Welt gab sich ein Rendezvous
in den Mauern des alten Wien. Was sich hier zusammenfand und ereignete, darf in
Wahrheit als ein großartiges Zeitbild betrachtet werden.
Die Politik führte freilich das erste Wort. Aber was sie trieb, vollzog sich am
grünen Tisch geheimnissvoll in geschlossenen Räumen, in den Conferenzen der Minister
und Gesandten oder im lntriguenspiel, das wechselvoll in ausgedehntestem Maße die
Gelegenheit erhielt. Das Schauspiel, das die Welt erblickte und die Bewohnerschaft
Wiens mitcrlebte, war das unaufhorlicher Feste vom Einzug der grossen Monarchen bis
zum Tage, da die Rückkehr Napoleona von Elba und die Nachricht seiner triumphirenden
Ankunft in Paris dem Congress ein unerwartetes Ende bereitete. Bis dahin folgte ein
Fest dem andern; militarische Schauspiele, Revuen und Paraden spielten kaum die erste
Rolle; der Tanz stand bei weitem in erster Linie. Balle, maskirte wie unmaskirte,
Redouten und Maskeraden, Diners und Soiräen, Caroussels, Schlittenpartien, Jagden, Aus-
Hüge in Nah und Fern, selbst bis nach Ofen und Pest, irgend etwas solcher Vergnügungen
gab es jeden Tag, und oft war der ganze Tag vom Morgen bis zum Ende der Nacht von
einer Reihenfolge von Unterhaltungen eingenommen.
Der Hof machte den Anfang; Kaiser Franz betrachtete alle Fremden als seine Gäste,
und der Kaiser von Rußland, die Könige und ihre Gemahlinnen mit deren gesammtem
Hofstaate waren in den Raumen der kaiserlichen Burg untergebracht. Dem Hofe folgten
die Staatsmänner, die heimischen und die fremden, Fürst Metternich an der Spitze, mit
Gartenfesten und Tanzvergnugungen in Palais und Garten auf dem Rennweg. Der öster-
reichische Adel that desgleichen in seinen Wiener Palästen oder in der Nahe gelegenen
Landschlössern. Wer die stillere Unterhaltung liebte. fand sie in den Salons unter dem
Walten schöner und geistreicher Frauen. Und hier traten die Salons der Finanzdamen,
wie die der Bankhauser Arnstein, Eskeles, Pereira, Geymüller u. a., denen des Adels
zur Seite. Sie waren allabendlich gefüllt von allem was Geist und Namen hatte, und
nicht die illustreste Welt, nicht die höchsten gekrönten Häupter fehlten ihnen. Dazu
Theater, Concerte, Oper, Volksfeste und Volksbelustigungen. Die ganze Welt von den
höchsten Spitzen herab tautnelte in Vergnügen, gebannt und gefangen in diesem
Zauberltreis.
Es kann immer nur ein schwaches Bild sein, nur Erinnerungen, was eine Aus-
stellung unter dem Titel des Wiener Cnngresses bieten ltann, aber diese Erinnerungen