der Liebe; bei Toulnuse-Lautrec wird sie mit
fürchterlicher Kälte sozusagen aus der Keller-
perspektive beobachtet, bei Munch ist sie lwHinungs-
los, ersehnt und doch nietlergetrampelt von einem,
der selbst liebesunfähig ist, Klinger hängt ihr ein
billiges mythologische: Mäntelchen um (jede Venus
sieht aus wie eine ausgezogene Frau Feldwebel),
Beardsley beschäftigt sich mit ihr im Zeichen
erzböser, zyniscber, zugleich sublimierter und ge-
meiner Lüsternheit, und Klimt . . .
Für Klimt ist die Frau ein Gefäß der Lust und der
lnbegrifT dessen, was die Sinne dem Menschen m1
Genuß zu schenken vermiägen. Es wäre Heuchelei,
iiber diesen einen Wesenszug seines Schaffens hin-
wegzugeben. Das Ölgemälde „Danae" (1905[O8,
Privatbesitz, Graz) ist von Triebhaftigkeit durch-
bebt bis ins Letzte, jede Geste, jeder Linienschwung,
jedes bißchen Ornament ist verfeinerte, nicht mehr
zu übersteigernde Whllust. ln seinen Zeichnungen
4 es gibt Tausende von ihnen, die schönsten sind
(x Liegender weiblirhcr Akt mit Halskrcluse. Um 1907.
München. Wolfgang Gurlil!
7 Sixzcndm Mädchen mir gusenkrem Hlupl und langen
Haaren. Um 1903. Wim, Dr. Ltopuld
3 (kwnndsludic zum Bildnis Fmu Bloch-Bzucr, 19U7.
Wien. Alhcni 1a
derzeit in der Albertina zu sehen - gleitet er mit
liebkosendem, vibrierendem Stift den Konturen des
weiblichen Körpers nach, und es ist nicht zu viel
behauptet, wenn man in jedem dieser Blätter
spontanes Erleben zu vermeinen glaubt.
Genuß ist bei Klimt etwas, das um seiner selbst
willen gesucht werden muß, Genuß ist Sinn und
jenes schlechte Gewissen, aus dem Munchs Figuren
ihre schreckliche Wirklichkeit beziehen. Aus diesem
Grund Wirken Klimts Blätter ß auch die gewag-
testen 7 niemals obszön, die Dimension „Moral"
fehlt ihnen einfach. In metaphorischer Weise mag
diese Tatsache als Erklärung für das Fehlen der
dritten Dimension bei Klimts Arbeiten im rein
Formalen dienen. S0 sind Klimts beste Arbeiten
nie gegenstandslos, nie lebens- und naturfern und
doch stets ganz Ornament - ein schöner, kostbarer
Schmuck, wie die Liebe selbst, die sie verherr
liehen.
Auch Klimts Haltung zu den Formprnblemcn der
Kunst entspringt einer sehr profilierten Gesinnung:
sein „P0intillismus" hat zweifellos etwas mit den
Bemühungen von Seurat und Signac zu tun, doch
ist Klimt himmelxveit davon entfernt, „Recherchen"
anzustellen und Farbtheorien aufihre Anwendbarkeit
zu erproben wie die beiden Franzosen; für ihn bietet
sich auch hier eine Möglichkeit, das Neue, Revolu-
v Rückcnstudie am lirgcndvn bekleideten Frau. Um 19m.
Wien, Alberrina
10 Stcllcndc Dame nach rcclm. Um 19mm, Wien,
m. Lcopnld
n smndes Mädchen. Smdic m: das Bildnis Mida Prima-
ww. Um 1913. Wien, Alhvrtintl
tionäre auf seine „GenießbarkeiW hin zu unter-
suchen, wobei gerade das, was die Franzosen
gänzlich außer acht lassen, nämlich die sinnliche
Anteilnahme des Beschauers, im Vordergrund des
Bemühens steht. Auch in dieser Hinsicht ist Klimts
Kunst alles andere, nur nicht platonisch. S0 haben
Klimts Gemälde rein von der Oberfläche her die
Wärme eines köstlichen Teppichs, sie erschließen
sich auch dem Tastvermögen, man möchte sie
gerne angreifen und streicheln. Dazu kommt noch
infolge des Einbcziehens kostbarer Materialien eine
Art von Leuchtkraft, die sie in die Nähe von
Mosaiken rückt und das Dargestellte irrationalisiert.
Hinter diesem irrationalen aber steht - und das
ist der Wermutstropfen in Klimts süßem Wein -
die Ahnung von der Vergänglichkeit, Zerbrech-
lichkeit und Ilinfalligkeit aller Dinge, von der
totalen Relativität der Genußwelt und ihrer voll-
kommenen Labilität. Krankheit, Erschöpfung, viel-
leicht sogar Armut lauern im Hintergrund 7 auf
v, .5