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nere der so gebildeten flachen Zelle mit grünem und gelbem Glase, der
umgebende Grund mit blauem überschmolzen - Anfänge des Zellenschmelzes
oder des Email cloisonne.
Bruchstücke, die mehr oder weniger auf die einstige Form des
Gefasses zu schliessen erlauben, sind alsdann zusammengeordnet (Kasten
10). Oben im Kasten becherartige Schalen in Nachahmung des Onyx
und Agates und allerlei buntem Glasßuss. Links unten zwei interessante
Bruchstücke flach-tellerartiger Schalen aus Millefioriglas. Daneben ein Hen-
kel, bedeutend durch eine aufgepresste Inschriß: Artas Sidon in lateini-
scher und griechischer Sprache - ein Name, der, wenn auch aus späterer
Zeit, auf das glasbereitende Phöniziervolk weist. Derselbe Stempel kommt
an dem im März-Heike der "Mittheilnngen" erwähnten Purpnrglase mit
weissen Henkeln des Herrn Slade in England, zweimal an blauen Henkel-
fragmenten des k. k. Münz- und Antiken-Cabinets in Wien und zehnmal
an ähnlichen Stücken der Münchener Vereinigten Sammlungen vor.
Die Wirkung der Verwitterung sehen wir an einer Reihe in den brillan-
testen Farben schillernder Stücke klaren und farbigen Glases (Kasten ll).
Die Thatsache, dass die feine, irisirende Haut auch alte Bruchdächen
überziehblspricht auch dem Laien Gir deren Erzeugung durch natürliche,
oberliächliche Zersetzung des Glases. Mikroskopische Untersuchungen he-
stätigen dies. Darum brauchen jedoch unsere Glasfsbrikanten die Hoffnung
nicht aufzugeben, noch einmal so köstlich schimmerndes Glas dsuerhaß
zu erzeugen. Zwei Scherben darunter mit deutlich mittelst des Rades
eingeschliüenen Ornamenten.
Endlich noch eine grosse Anzahl mannigfaltiger Glasperlen, worunter
besonders zwei, der Millelioritechnik angehörige bemerkbar sind. Sie
wurden im März-Hefte als mit wahrscheinlich altphönizischen überein-
stimmend erwähnt (Kasten 12).
(Fortsetzung in der nächsten Nummer.)
Ems Sibmeohers Btiok- und Spitzen-Iusterbuch.
Haull dzr Ausgabe v. .1. um in fsulmilirun Cnplen herausgegeben vuns k. k. öuerr. Innen.
In keinem Zweige der Industrie herrscht vielleicht heutzutage eine grössere Willkür
und Verwildernng des Geschmackes als in jenem weiten Gebiete, dem die Spitzeufabrication,
die Weissstickerei, die Wirkerei durchhrochaner Vorhänge, Ueberziige, Decken u. s. w. an-
gehören. Es waltet die Geschmecklosigkeit in gleicher Weise in der Fabrik wie in der
privaten Handarbeit, die bekanntlich so weit reicht, als weibliche Hände die Nadel üihren.
Kaum erwacht und zur Verbreitung gekommen, verfiel das ganze Genre mit seiner Oma.-
mentstion dem barocken Geschmack. Im 17. Jahrhundert von der überladenen und regel-
losen Verzierungsweise derPerrlickenzeit, im 18. von den willkürlichen lannenhnften Schnörkeln
des Rncoeo, die auf dem zarten und nnchgiebigen Stoß noch weniger Halt und Schranke
fanden, iiberwuchert, und im 19. Jahrhundert erst der Phantasielosigkeit und dem Mangel
an aller Erfindung, sodann einem ziemlich wilden Naturalismus anheimgefallen, der immer
noch hesser war als seine Vorgänger, haben die Spitzen nnd ihres Gleichen, ihre früheste
Periode ausgenommen, in ornamenxaler Beziehung fest nur Muster des Ungeschmacks ge-
liefert. Man kann sagen, je feiner, je mühevoller und kunstreicher im Laufe des 17. und
18. Jahrhunderts die Spitze wurde, je widerwärtiger nnd wiister ihre Musterung.