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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1866 / 12)

Mit den Gewerbeschulen verwandt sind die Handelsschulen, wovon gleichfalls 
in Oesterreich eine bedeutende Zahl besteht - im Jahre 1857 zählte man deren schon 59, 
wovon 19 Privatschulen. Schon älteren Datums sind die Hundelsschulen von Prag und 
Pest; diese Anstalten vermehren sich noch fortwährend, wie denn im Jahre 1863 in Reichen- 
berg Ersparnisse der tretflichen Sparcassa zur Gründung einer solchen Schule verwendet 
wurden. Sie gipfeln in der, aus freiwilligen Beiträgen grossartig ausgestatteten Handels- 
akademie in Wien. 
Von allen diesen Anstalten stehen ein grosser Theil der Handelsschulen und namentlich 
die Gewerbeschulen in der innigsten Verbindung mit der Praxis. Sie lassen in der Regel 
die Hauptzeit des Tages oiien tiir Erlernen des praktischen Betriebs und Erwerb des Lebens- 
unterhaltes, sie nehmen die meiste Rücksicht auf die unmittelbaren Bedürfnisse des Schülers, 
knüpfen bei Wahl und Behandlung ihrer Lehrgegenstände direct an die Praxis an und 
ziehen theilweise - wie z. B. die Abtheilung üir Weberei in Brün - schon „das Können" 
in den Kreis ihrer Bestrebungen, sie bilden also einen ganz natiir 'chen Uehergang zu den 
Lehrwsrkstütten. 
Die Lehrwerkstütten sind schon seit Langem auch in Oesterreich eingebürgert 
- bei der Landwirthschaß. Da. sich eine Ablösung der Theorie von der Praxis nirgends 
rascher riichen müsste, als bei der Landwirthschaft, so hat man schon früh Anstalten ein- 
gerichtet, wo die jungen Landwirthe den praktischen Betrieb als Hauptsache selbst üben, 
und die theoretische Unterweisung verbindend, erliiutsrud denselben begleitet. Auf diesem 
Grundsatze beruht insbesondere die vom Grafen Franz Thun gegründete Ackerbauschule 
Liebwerth bei Tetschen. Als entwicklungsfühige Anfänge verdienen die vom niederöster- 
reichischen Landtag bez. der Handelskammer unterstützten Weinbanschulen zu Klosterneu- 
burg und zu Krems alle Beachtung. Für den eigentlichen Bauernstnnd ist jedoch im Gaumen 
noch unendlich wenig geschehen. 
Auf dem weiten Gebiete der Industrie hat seiner Zeit das Prager Centralcomite zur 
Unterstützung der Dürftigen irn Erz- und Riesengebirge mehrere Anstalten zur Erlernung 
praktischer Arbeit errichtet. So eine Klöppelschule in Sonnenberg, Niih- und Strickschulen 
zu Bleistadt, Bärringeu, Pressnitz, Graslitz und Katharinaberg, Strohileehtschulen zu J oachime- 
tbal, Schmiedeberg und Hochstadt, Handschuhnähanstalten zu Neudegg und Katharinaberg 
und eine Bordureuwebschule zu Zinnwald. I.n welcher Lage sich heute diese Schulen be- 
finden, ist uns nicht genau bekannt, nur soviel wissen wir, dass die Anstalten zu I-Iochstadt 
und Zinnwald aus Mangel an Subsistenzmitteln wieder eingingen. 
Von weit grüsserer Bedeutung sind die Weberschuleu zu Brünn und Reichen- 
berg, den beiden Hauptsitzen der österreichischen lhrchmauuiactur. Der schon früher als 
Fachschule an der Gcwerbeschule zu Brünn bestehenden Abtheilung Eir Weberei wurde im 
Jahre l859fein zweiter Cursus zugefügt und dadurch die Anstalt in Stand gesetzt, junge 
Männer zu tüchtigen Fabrikanten, Fabriksdirectoren und Werküihreru auszubilden. Der 
Unterricht erstreckt sich auf alle Zweige der Weberei und umfasst daher die Schafwolb, 
Leinene, Baumwolb, Seiden- und gemischte Swtfweberei. Der Unterricht umfasst l. Ent- 
ziderung (Decomposition) der Muster; 2. Zusammensetzung qComposition); 3. Zeichnen und 
Componiren; 4. praktische Uebungen im Weben; 5. Lehre von den Maschinen für Spinnerei, 
Weberei und Appretur; ü. Färberei: 7. Buchhaltung und Wechselrecht, 8. Netionalökonornie 
und 9. Handelsrecht. Im ersten Jahrescurs wird die Trittweberei und im zweiten die 
Jacquardweberei und mechanische Weberei gelehrW). Gelegentlich einer Ausstellung, die 
im Spätherbste des Jahres 1865 im Museum für Kunst und Industrie zu Wien stattfand, 
konnte man bemerken, dass, wenn auch die vorgeiihrten (zu sehr an Tapetenmugger H. 
innernden) Zeichnungen zu wünschen übrig liessen, die technische Seite der eigentlichen 
Webereiproducte allen Beifall verdiene. 
Wie sich aus einem kleinen, bescheidenen Keim ein kräßiger, das Gewerbe einer 
ganzen Stadt wuhlthiitig beschirmender Baum entwickeln kann, das sieht man recht deutlich 
an der Weberschule zu Reichenberg. Ihre erste Gnxndlage waren 600 ü" wglchg der G5. 
werbeverein von einer kleinen Ausstellung von lndustrieproducten der Gegend eriibrigtlhatte. 
Im Jahre 1859 gegründet, ksm diese Schule zwei Jahre darauf in die Obhut der Tuch- 
macherzunft, einer durch Zahl, Besitz und ziemlich festen Zusammenhalt achtunggebietenden 
Genossenschsti, welche bald in der Weberschule eines der Mittel erkannte, wodurch allein 
noch der kleinere Meister eine gewisse Selbstständigkeit sich erhalten kann. Die Schule 
lehrt in zwei Cnrsen die praktische Weberei und in einem dritten die Buchhaltung. Oh 
sieht man mit Hochachtung, dass auch ältere Männer, Meister, an dem Unterricht [und 
den Preisvertheilungen participiren. Im Jahre 1863 wurden 127 Schüler- in die An- 
stalt aufgenommen. Dieselbe ist höchst praktisch auf den unmittelbaren Zweck gestellt und 
ihre Auslagen betrugen im genannten Jahre nur 2508 d. in folgenden Posten: Lehrer- 
 
v) Du- Lehrplan und die Eirichtuug dieser Schule m den Lesern der nlittholluugeu" durch eine en- 
np m m. 1 um." geworden.
	        
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