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niss einer Kunst-Industrieschule für Berlin zu erörtern. Es ist bekannt,
dass die Frau Kronprinzessin von Preussen, eine Tochter des Prinz Albert
von England, des Gründers des Kensington-Museums, selbst Künstlerin und
ganz in der Lage ist, Bestrebungen nachhaltig zu fördern, die parallel mit
jenen grossen Civilisationsbestrebungen stehen, deren Ausgangspunkt der
Prinz Albert gewesen ist.
Die Abhandlung des Dr. H. Schwabe zerfallt in drei Theile; der
erste behandelt das englische System der Beihilfe zur Förderung der
Kunstindustrie; der zweite, das Kensington-Museum als Centralinstitut für
Wissenschaft und industrielle Kunst; der dritte Theil enthält eine Rück-
schau auf England und eine Umschau in Deutschland. Der letzte Theil
ist für uns von hervorragender Bedeutung. Es gereicht uns zu ganz be-
sonderer Genugthuung, dass die Ansichten, die in dieser Schrift in Berlin
hervortreten, ganz analog denen sind, die bereits im dritten Jahre von dem
österr. Museum vertreten werden; es freut uns, dass bei der Umschau, welche
Dr. H. Schwabe in Süddeutschland macht, er des „k. k. österr. Museums
liir Kunst und Industrie" ausführlich (S. 186-188) gedenkt, und kein
Institut in Mittel-Europa anführen kann, das in umfassenderer Weise den
modernen Bestrebungen zur Förderung der Kunstindustrie entgegenkcmmt.
Zwei vortrefßiche Schulen in Oesterreich hat übrigens Dr. H. Schwabe
ganz übergangen, die Schule iiir Weberei in Brünn und die Zeichen-
schule für Glasindustrie in Steinschönau. Am Schlusse seiner Abhandlung
setzt Dr. H. Schwabe eingehend die Nothwendigkeit der Förderung der
Kunstindustrie in Preussen auseinander.
Dr. H. Schwabe untersucht zuerst die Institute in Berlin, welche
bei Gründung eines Systems der Beihilfe der Kunstindustrie in Betracht
kommen können, die Gewerbeschulen, das königl. Gewerbe-Institut, die
Sonntagsschulen, die beiden Zeichnungsschulen, die städtischen Fortbildungs-
Anstalten, den grossen Berliner Handwerker-Verein, die vom Handwerker-
Vereine gegründete Bau-Gewerbeschule, die königl. Akademie der Künste,
und findet, dass „alle Berliner Institute der fraglichen Richtung geprüft
und zu leicht befunden worden". Sie lehren sämmtlich das nicht, was
Kunst im Gewerbe ist; sie lehren entweder zu wenig oder zu viel und haben
zum Theil für ganz elementare Bedürfnisse zu sorgen. Die Zeiten sind
vorüber, wo man den Unterricht üir Kunstgewerbe nur als Nebensache
behandeln, an technische Institute oder an gewöhnliche Gewerbeschulen
lose anhängen konnte. Die Kunst im Gewerbe verlangt eine selbstständige
Pflege, einen systematisch geordneten Unterricht. Die Zahl der Berliner
Handwerker, deren Gewerbebetrieb eine künstlerische Ausbildung voraus-
setzt, werden nach den Haudwerkerhabellen in Berlin (Aufnahme vom
J. 1861) auf 17.659 gerechnet, darunter 7870 Meister, 11.940 Gesellen, 3256
Gehilfen und Lehrlinge. Das Arbeitspersonale in Fabriken und vorherr-
sehend für den Grosshandel beschähigten Gewerbsanstalten, deren Arbeit