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leicht im indischen Hochgebirg durch die Schrecken und Contraste jener
Gegend der Phantasie der dortigen Bewohner entsprungen, seitdem ihre
Wanderungen in der ornamentalen Kunst und selbst in den Religionen
durch die Welt gemacht haben. Auf jenen persischen Seidengeweben der
sassanidischen Zeit, von denen sich ein und das andere Stück erhalten hat,
sehen wir sie regelmässig wiederkehrend, allein stehend oder in jenen
Kreisen und Vielecken, in Reihen, im Kampfe gegen einander und mit
Menschen, immer aber stilisirt gezeichnet, sowie flach gehalten ohne alle
Modellirung oder Angabe von Schatten und Licht.
Seit Theodesius folgten die Griechen dem Beispiel der Perser und
gründeten namentlich zu Byzanz im s. g. kaiserlichen Gynäceum eine
berühmte Seidenfabrik. Ihre Bedeutung war sehr gross, stand aber den-
noch hinter der persischen zurück; auch war sie künstlerisch wenig eigen-
thümlich und erweiterte nur die Ornamentation der Perser. Was sie gegen-
ständlich Originelles hinzui-iigte, geschah durch Stickerei. Dieser Zustand
dauerte bis auf die justinianische Zeit, bis zur Einführung der wirklichen
Seidenzucht, und wir müssen darum diese zweite Periode etwa von der
Zeit des Augustus bis zur Mitte oder zum Ausgang des sechsten Jahr-
hunderts nach Christi Geburt als die persische oder die byzantinisch-
persische bezeichnen.
Zwei Ereignisse änderten diesen Zustand und gründeten eine neue
Epoche, erstens die Einführung der Seidenzucht im griechischen Reiche
unter Justinian. und zweitens die Herrschaft der Araber und des Muham-
medanismus. Das erste Ereigniss, verbunden mit dem Sturz des Perser-
reichs durch die Araber, verschaffte augenblicklich der byzantinischen
Seidenindustrie ein grosses Uehergewicht. Als aber die Araber schnell
ein Culturvolk geworden waren, hoben sie nicht blos wieder die verfal-
lene Seidenzucht in Syrien, sondern gründeten sie rings um das mittellän-
dische Meer, soweit ihre Herrschatt sich erstreckte, vor allem auch in
Spanien, und verbanden damit die blühendste Seidenweberei, die bald der
byzantinischen, selbst für den Exportnach dem Abendlande, völlig den
Rang ablief. Anfangs noch unterstützt durch Rohstoff von China, den sie
sich von dort holten, machten sie sich mit der Zeit gänzlich frei davon.
Ebenso gelangten sie auch auf dem ornamentalen Gebiete mehr und mehr
zur Freiheit und Originalität, obwohl sie hierin durchaus von der byzan-
tinischen Weise ihren Ausgangspunkt genommen hatten. Demgemäss be-
gannen auch die Araber mit den Thierbildern in ähnlich stilisirter Art,
sowie mit den geometrischen Figuren. Alsbald verwandelten sie aber diese
letzteren in Ranken und Arabesken und liessen später die Thiertiguren
gänzlich fort. Dies geschah aber erst zu einer Zeit, als die Seidenindu-
strie wieder eine neue Periode begonnen. Jene, die eben geschilderte,
können wir als die arabische oder byzantinisch-arabische bezeich-
nen. Sie dauerte etwa bis zum Jahre 1200 oder bis in das 13. Jahrhun-
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