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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 23)

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an den Volkstrachten, welche an costlunirten Figuren in den Nischen des langen Portals 
zur Ausstellung gebracht sind, für das kunstgebildeta Auge zu Tage. Es ist merkwürdig, 
wie sich hier an derselben Figur oruamentale Elemente, die aus dem grauen Altertbume, 
aus der heidnischen Urzeit Scandinaviens herstammen, mit solchen mischen, die der jüng- 
sten Vergangenheit angehören oder ihre ursprüngliche Heimat in sehr unl'ernei' Zeit in in- 
dien, China und Japan zu suchen haben. 
Von dieser letzteren Art sieht man Kopftücher, roth mit Blumen bedruckt, von be- 
kannter Kattunornamentation und neben ihnen andere mit den primitivsten Formen der 
Ornamentik, die der einfachsten Haustechnik angehören und der urältesten Zeit entstammen. 
Um Kleider und Leiber mit modernster Musterung liegen weiss und roth gewirhte Gürtel 
mit jenen winkligen Linienvarzierungen des mittelalterlichen sestes gnmmadise (so genannt 
von der Form des griechischen Buchstabens Gamma), dass jeder Kenner sie als directe 
Fabricate des Mittelalters beschwören möchte. Die gehlümten Kleider und Kopftücher sind 
mit Spitzeoberten besetzt. die an Regelmiissigkeit der durchbrochenen Ornamente denen 
der Musterhiicher des 16. Jahrhunderts gleichen; die ganze wiiste Ornamentation der Spitzen 
in der französischen Periode des 17. und 18. Jahrhunderts, von der wir uns theilweise noch 
heute losringen sollen, ist spurlos an diesen Arbeiten vurübergegnngcn. An den Brustleiberu 
tinden sich Perlstickereien in runden und länglichen Bcihen, deren Zeichnungen in Stenien 
und anderer geometrischer Anordnung aus der spanischsarabischen Kunst des 14. Jahr- 
hunderts herrühren könnten; es sind aber nichts als die gerade diesem Material angemes- 
senen und entsprechenden und darum auch durchaus gelungenen Muster, die unsere Ge- 
schmacksverbildung verschmäht, um statt dessen mit dem gleichen Material die abscheu- 
lichsten Caricaturen von Menschen, Landschaflen, Blumen u. s. w. hervorsubringen. 
Auch der Schmuck dieser scandinavischen Volkstrachten zeigt nach alte und eigen- 
thiimliche Formen und bewahrt noch viele Erinnerungen an jenen chernen, silbernen oder 
goldenen Schmuck der Gräber. Daher kommt es auch, dass die Filigrenarbeiten, die sonst 
überall, wo sie noch in Uehung sind, von Indien bis nach Italien, vom Sudan bis an die 
Donau und nach Russland hinein, ganz ähnliche, fast gleiche Bildungen zeigen, nur hier 
in Norwegen noch eigenthiimliche und abweichende Formen behaupten. 
Von diesem nationalen Schmuck und den Filigranarbeiten abgesehen, ist jedoch die 
Goldschmiedekunst des Nordens, wie sie auf der Ausstellung vertreten ist, namentlich in 
allen gressercn Arbeiten und Gefisseu, noch vom vollstindigsten Naturalismus der letzten 
zehn, zwanzig Jahre beherrscht und zwar so, dass die Pflanzen und Blumen die grossen 
Formen der Gefisse wie die Elemente der Verzierung hergeben, eine Weise, die bei uns 
schon wieder dem Verschwinden nahe ist. Desgleichen ist die Möbslfnbrication Scandinn- 
viens im Ganzen modern, doch ist sie in ihrer Art vom Standpuncte des Geschmackes 
besser als die Goldschmiedekunst. Die ausgestellten Möbel zeigen alle Style, wie sie heute 
in der oivilisirten Welt irnitirt werden, hier Gothik, dort Renaissance, dort verzopftes Bucoco. 
Nur darin erscheinen diese Arbeiten mehr originell, dass man Rücksicht auf die Holzurten 
des Landes und ihre Eigentbiimlichkeiten nimmt. Es findet sich daher z. B. das Maserholz 
besonders häufig zu Füllungen und mosaikartigen Zusammenstellungen beniitzt. Auch die 
Volksindustria macht verschiedenen Gebrauch von den heimischen Hölzern zu kunst- 
industriellen Arbeiten. So weiss sie die schone Birkenrinde zu allerlei kleinen Ziersrbeiten 
und Gebrauchsgegenständen zu verwerthsn und macht aus verschiedenfarbigen Hölzern 
kleine Schnitzereien, ganz in der Weise der bekannten Schweizer Arbeiten. 
Bewahren die Möbel in dieser Weise noch einige Spuren von Eigentbiimlichkeit, so 
fällt diese bei dem iihrigen Hausrath ganz hinweg. Die Papiertapeten sind von der aller- 
gewöhnlichsten Art; der Umschwuiß, der hierin eingetreten ist, hat Scandinuvien noch 
nicht erreicht. Gepresste Ledertnpcten mit reicher Vergoldung machen wohl Ansprüche, aber 
sie sind überladen und imitiren die schlechten Zeichnungen des I7. und 18. Jahrhunderts, 
und dazu sind sie für Stuhlsitze und Stnhllehnen in viel zu hohem Relief gehalten. Nur 
Seidentapeten mit Malereien von Blumenranken und Vögeln (an ältere chinesische Art er- 
innernd), recht gut und geschmackvoll auf gelbem, gebrochenem Seidengrunds, sind he- 
achtenswerth, weil sie eine Technik des vorigen Jahrhunderts, die es zu reizender Wirkung 
bringen kann, wieder hervorrufen. 
Eben so modern ist die Porcellnn- und Fayenccfahricntion (vorzugsweise durch Riir- 
strand in Stockholm vertreten). Wir finden hier alle Formen und Ornumentationen, die 
in unserer heutigen eklektischen Zeit in Gebrauch sind, Rococo und Renaissance, Genre- 
Gguren und Blumistik, wie man sie überall sieht. Gegenüber der Ueberlarlung der letzten 
Jnhrzehente auf diesem Gebiete geht aber doch im Ganzen eine gewisse Musshiiltigkeit 
und Bescheidenheit hindurch. Die Malereien sind gut ausgeführt und gmsse Vnsen zeugen 
von der Kühnheit in der Technik. Die Vollendung, mit der des Biscuit behandelt, beweisen 
reizend durchgeführte Ststuetten, vor allem aber eine Reihe Gefässe, die korhartig gedochten 
und mit naturalistisch behandelten Dlumenguirlanden von vorzüglicher Ausführung umgeben
	        
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