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Immerhin könnte das nur einer gescbicktern Leitung und einer verstsndigersn Auswahl
zu verdanken sein, denn beide ruhten vorzugsweise mit in den Händen der Leiter des
Kensington-Museums. Wir lassen den Vorrang darum auch ganz dahingestellt sein. und
wollen uns nur bemühen, das Wesen, den künstlerischen Charakter der englischen Kunst-
industrie, wie ihn die Ausstellung zu erkennen gibt, darzulegen; dieser Charakter lässt
sich leichter durch den Gegensatz der französischen Weise erkennen.
Den künstlerischen Charakter der französischen Industrie haben wir darin gefunden,
dass sie sich in allen Stylen, in aller Technik, in allen Aufgaben leicht zurechtlindet, dass
sie mit eben so viel Willkür wie Leichtigkeit und Gewandtheit die Elemente aller Style
passend oder unpassend zu benützen und zusammenzustellen weiss und dabei den speciiiseh
französischen Stylarten, deren Haupteigenschaft die Willkür ist, in Verbindung mit dem
Naturalismus den Vorrang verleiht, dass sie alle diese Elemente nur benützt, den Gegen-
stand gewissermassen anfzuputzen und ihm ein äusseres Ansehen zu verschaden, endlich,
dass ihr Ziel nicht die Schönheit, sondern die Neuheit, die Piquanterie, die Mode ist. Das
Grundfalsche und Unkünstlerische einen solchen Verfahrens konnte nur so lange verborgen
bleiben, so lange die Gedanken vor dem Geschmacke Halt machten, weil man ja über den-
selben nicht disputiren könne. Richtete man aber sein Nachdenken auf diese Dinge. so musste
man finden, dass auch hier vernünftige Principien herrschen, dass auch hier der Willkür
Schranken gesetzt sind und die Zweckdienlichkeit und das Material dem Künstler allerlei
Bedingungen und Gesetze vorschreiben, von denen er sich nicht losmachen kann. In der
That fand man denn auch diese Gesetze in der Ornamentation und der Kleinkunst classischer
Kunstepocben und bei Völkern von unverdorbenem Kunstgefiihl vollkommen in Uebung und
man brauchte sie von ihren Meisterwerken nur abzulesen und ihre Anwendung zu lernen,
Das war es. was sich diejenigen englischen Künstler und Kunstverständigen sagten,
welche es unternahmen, eine Reform in ihrer heimischen Kunstindnstrie herbeizuführen.
Folgerichtig musste die Kunstweise, die daraus hervurging, sich der modern französischen
direct entgegenstellen, denn die] Principien, von denen man ausging und die in der Sache
begründet lagen, setzten wahre und bleibende Schönheit an die Stelle der Mode und der
Neuheit, sie verlangten stylistische Umwandlung der Naturformen statt der Imitation ihrer
zufälligen Erscheinung, sie verlangten Construction, Bau und Gestaltung nach Zweck und
Stoß, sie verlangten Beobachtung der Fläche und ihrer Eigenthiimlicbkeit, vernünftige Ver-
wendung des Reliefs und seiner verschiedenen Arten, alles Anforderungen, die der franzö-
sischen' Willkür schnurstracks znwiderliefen und um die sie sich nicht bekiirnniert hatte.
Alle diese Dinge legen auch dem Zeichenunterrichte des französischen Künstlers, bei dem
es nur auf die Leichtigkeit der Hand ankommt, völlig fern; in den englischen Schulen da-
gegen musste und sollte grundsätzlich auf ihr Verständniss und ihre Anwendung hiugear-
beitet werden. Der englische Künstler musste wissen, was er that und warum er es that.
Man kann ssgen, auf diese Weise ist nur ein verstindiges, kein freies Kunstachaifen
möglich, und der Schwung der Phantasie bleibt gebrochen. Es ist tiir den Anfang jeden-
falls etwas wahres an dieser Bemerkung: einmal aber der Prineipien durch Uebung Meister
geworden, wird der Künstler sich mit ihnen ganz in derselben Freiheit bewegen, wie sie
der französische Künstler geniesst, der, bei aller seiner Willkür, ja doch auch nur gege-
bene Kunstelemente zur Verfügung hat. Ja es wird sich zeigen, dass der nach jenen Prin-
cipien schaßende und stylisirende Künstler viel freier ist, denn es ist die einzig mögliche
Art uns von aller Kunstvergangenheit unabhängig zu stellen und so nach und nach uns
einen eigenen und nns wahrhattangehörigen Styl zu schaden, wie alle Epochen dieser
Kunst ihn besessen haben.
Hat die englische Kunstindustrie dieses Ziel bereits erreicht? Hat sie einen eigenen
Styl geschaifen, in dem sie sich mit voller Freiheit bewegt? So weit ist es allerdings noch
nicht gekommen, aber man kann wohl sagen, dass der Weg dahin betreten oder wenigstens
gefunden ist und dass, wenn er nicht wieder verlassen wird, das Ziel erreicht werden dürfte.
Niemand, der in der Ausstellung aus den Räumen der französischen Ahtheilung in die
Englands eintritt, kann den ansserordentlichen Unterschied übersehen, den der Gesammt-
eindruck darbietet, und wenn er nicht allen künstlerischen Verständnisses bar ist, so muss
er sich sagen, dass er nicht aus dem Guten in das Schlechte, aus dem Reichtbnm in die Ar-
muth iibertritt, sondern dass sich hier zwei verschiedenartige Knnstanschanungen ein-
ander gegenüberstehen. Ja wir haben Künstler sagen hören, dass man mit diesem Schritt
aus einem glänzenden, aber wilden Traume erwacht und sich in das Land der Kunst versetzt
sieht. Wir wollen dieses für England so glänzende Urtbeil dahingestellt sein lassen, sicher
ist aber, dass der allgemeine Eindruck der englischen Abtheilnng nicht hlos einen Gegen-
satz gegen Frankreich bildet, sondern auch in sich harmonisch ist. Was noch von alter
Weise und selbst von französischer Imitation darunter ist, erscheint fast wie aus einer
andern Welt. Möglich, dass dieses, was hier in Paris vereinzelt auftritt, in England selbst
und im bürgerlichen Gebrauch noch die Überhand hat, ja wir glauben selbst, dass das zum