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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 29)

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anderen symmetrischen in diese Drehungspuncte eingefügten Vertiraleu, welche die Arme 
und Beine vorstellen. Die Verticale der oberen Gliedmaasse ist entsprechend der Axe des 
Ellbogengcleakes durch eine und entsprechend dem Kopfe des Kopfbeines durch eine 
zweite Marke in ihre drei natürlichen Theile gegliedert. Die Linis der unteren Gliedmaasss 
ist durch die Axe des Kniegelcnkes und die Axs des oberen Sprunggelenkes zertheilt. Als 
Hilfslinien können in das Schema noch aufgenommen werden: der Querdurchrnessar der 
IIKJrnst aus der Achselgruhs und die quere Verbiudungslinie aus der Mitta der beiden Hüft- 
Amme. 
Da aber die Conüguration des Körpers nicht allein von den Dimensionen der ein- 
zelnen Segmente, sondern auch und zwar wesentlich von der Art und Weise der Fügung, 
namentlich in der Schulter und Hiißgagend beeinflusst wird, so soll in dem Schema auch 
der Stand der Schulter und Hiiftpuncts ersichtlich gemacht sein. 
Die weitere Ausführung und die anatomische Begründung dieses Schemas, sowis 
auch das Vorgehen bei der Messung, die dabei zu beachtenden Cautelen und die sich er- 
gebenden Fehlerquellen sind einer ausführlichen Abhandlung vorbehalten. 
Als Vortheile dieser Messungsmethode werden von dem Vortragenden bezeichnet: 
ihre Anwendbarkeit auch auf solche Bildwerks, welche in complicirteren Attitudan dar- 
gestellt sind, ferner die Möglichkeit, die Schemen verschiedener Figuren, wenn sie auf glei- 
chos Maass gebracht sind, nach der graphischen Methode mit einander zu ver- 
gleichen. 
In einem darauf folgenden kurzen historischen Expose wurde nachgewiesen, 
dass bereits A. Dürer in seiner Proportiouslehre alle wesentlichen Dimensionen des Lei- 
bes nach den Hebelpuncten der Gelenke orientirt hat, und dass von den Neueren dem 
Historienmaler C. Schmidt das Verdienst zuerkannt werden müsse, nicht nur das Diirefsche 
Schema richtig gestellt, sondern auch eine eigens Proportionstigur ganz nach dem Skelet 
mit richtigem Verständnisses des Mechanismus desselben entworfen zu haben. 
Die Frage, ob es wiiuschenswcrth sei, zum Behufe der künstlerischen Wirksam- 
keit eine Grundgestalt als Canon abzuleiten, wurde im Sinne der Darlegungen von L. da 
Vinci und des Vorgehens von A. Dürer verneint. 
Da Vinci bemühte sich zwar, den alten Polyklcfschen Canon nach dem Be- 
richte Vitruv's herzustellen; als er aber auch das Studium der Individualität und die 
Lehre von der Attitude mit in die messende Proportionslehre einbezogen hatte und er 
erkannte, dass alle diese Einzelheiten sich in einer einheitlichen Formel nicht unter- 
bringen lassen, musste er zum Schluss gestehen, dass er das Geheimniss des alten Canon 
nicht enträthselt habe. Er beschränkte sich deshalb in seinem Trattaw darauf, nur einige 
ganz allgemein lautende Regeln aufzustellen; dafür aber empfahl er den Kunstjiingern, In- 
dividuen mit lobenswerthen Proportionen als Muster zu wühlen und die Commodulation 
der Theilo nach Geschlecht, Alter, Coustitution und Handlung mit allem Eifer zu 
studireu. 
A. Diirer wendete sich gleich von vorne herein an das Studium der Individualität; 
er suchte nicht einmal nach einem Canon. Bei ihm galt der Satz: „so viele Proportionen 
als Figuren." Seine Absicht war, Fonnreihen aufzustellen und damit eine Phyliogmmik der 
Gestalt zu begründen. 
Wenn man bedenkt, dass der Künstler keine indiEerenten Gestalten, sondern hau- 
delnde Personen darzustellen hat, so wird man zugeben, dass dieser Zweck durch Auf- 
stellung von Mittelznhlcn nicht gefordert wird, denn Mittelzahlen bedeuten gerade nur die 
Allgemeinheit. Ihre Ermittlung beruht ja darauf, dass innerhalb der untersuchten Form- 
reihc früher alles Individuelle und Eigenthiimliehs getilgt wird. 
Das einzig allgemein Gütige, wirklich Gesotzmßssige, wodurch dem künstlerischen 
Vorgehen kaum iibarschreitbnre Grenzen vorgezeichnet sind, beruht auf der Logik der or- 
ganischen Gliederung dsr Figur. Das Ma-sas und die Regel für die freie Bewegung inner- 
halb dieses, zwar scharf begrenzten doch immer noch sehr umfangreichen Gebietes gibt 
das vergleichende Studium der Natur und anerkannter Kunstwerke. 
Zum Schlusso dieser theoretischen Auseinandersetzungen wurde auf die Proportions- 
studisn mehrerer neuer Meister, insbesondere Michel Angulo's hingewiesen. 
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In der weiten Vorlesung demonstrirte Prof. Langer vior Tableaux, jedes mit einer 
Reihe von an face Schemen ausgestattet, welche nach Maasssu lebender Münnar und 
Frauen, dann bekannter antiker Minner- und Frauengestalten entworfen wann. 
Die Lebenden waren nach der absoluten Körpsrhöhe, die antiken nach ihrer Gestaltung 
geordnet. Da sämmtliche Schemen auf das gleiche Böhenmaass gebracht und in gleichen 
Abständen neben einander gereiht waren, konnten die Gestaltungsverschisdeuheitcn in un- 
mittelbarster Weise überblickt und mit einander verglichen werden. An diese Tableaux 
knüpfte sich die Darlegung des Befundes.
	        
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