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Zentralblait für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
17. Jahrgang. Wien, 15. Februar 1925. Nr. 4.
2)/e Sammlung .‘Professor 2)r. 2)arm Städter.
Von Geheimrat Dr. Otto Falke, Berlin.
Die Sammlung Darmstädter* ist vor 45 Jahren
begonnen worden, zu einer Zeit, als die Kunstgeschichte
der Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts wenn auch
nicht mehr ablehnend, so
doch ziemlich teilnahmslos
gegenüberstand und die Mu
seen eben erst anfingen, sich
dieses Kunstgebietes zu be
mächtigen. Weitblickende
Sammler, wie Georg Hirth
und Ludwig Darmstädter,
sind damals noch die Weg
weiser und Lehrmeister ge
wesen, und die in wenigen
Jahrzehnten zur Entfaltung
gediehene Sammlung Pro
fessor Darmstädter wurde
für Kunstfreunde, Sammler
und Forscher eine allzeit
offene Stätte der Belehrung
und des Genusses, eine un
entbehrliche und nie versie
gende Quelle neuer Erkennt
nisse. Je unzulänglicher vor
einem Menschenalter noch
die Aufschlüsse waren, die
man aus der keramischen
Literatur und aus den Museen
über die führenden Meister
der europäischen und ins
besondere der deutschen
Porzellankunst des 18. Jahr
hunderts holen konnte, um
so rühmlicher und dankens
werter ist die Schöpfung des
Sammlers, der ungeleitet
seinen Weg suchen mußte
und doch intuitiv diejenigen
Werke in großer Zahl zu
finden verstand, die einer
Sammlung kunstgeschichtliche Bedeutung verleihen.
Der zuverlässige Katalog von Professor L. Schnorr
v. Carolsfeld und seine Tafeln entheben mich
*) Die Sammlung gelangt vom 24. bis 26. März bei Rudolph
Lepke in Berlin zur Versteigerung.
der Aufgabe, die umfangreiche Sammlung, die einzige
die neben dem deutschen Porzellan auch die Erzeug
nisse der französischen, englischen, italienischen, spa
nischen, russischen Manu
fakturen umfaßt, als Ganzes
zu würdigen. Die erfolgreiche
Sammlerleistung wird auch
durch den Hinweis auf Ein
zelheiten gekennzeichnet, die
für eine besondere Gabe
treffender Auswahl des künst
lerisch und wissenschaftlich
Bedeutungsvollen Zeugnis
ablegen. Heute sind der
Nymphenburger Modellmei
ster Franz Bustelli und der
Mannheimer Hofbildhauer
Konrad L i n c k anerkannte
Größen auf dem Gebiete der
Porzellanplastik; der erstere
ist nahe daran, selbst Joa
chim Kaendler, dem Be
gründer und Großmeister
dieser Kunstgattung, in der
Schätzung unserer Tage den
Rang streitig zumachen. Als
die Sammlung Darmstädter
entstand, waren beide aber
noch kaum genannt, ein Bild
ihres Könnens,' ihrer führ
enden Stellung war noch
nicht zu gewinnen. Trotz
dem glänzen in der Samm
lung Darmstädter die selte
nen Hauptwerke Konrad
Lincks in ausgezeichneten
Exemplaren, und Franz Bu
stelli ist mit einer Folge
seiner wundervollen Rokoko
figuren vertreten, die nur
von der Spezialsammlung des Bayerischen National
museums übertroffen wird. Sie sind so glücklich ge
wählt, daß ein allseitiges Bild der hohen Kunst Bustellis
geboten wird. Und nicht nur sein plastisches Vermögen,
sondern auch die eigenartig reizvolle, nur ausnahms-
Fig. 1: Krinolinfigur
Von Franz Bustelli. Nymphenburg um 1755.