134
willkommene Ptlegc. Eine Wanderung durch die aus dem Mittelalter stammenden Schlösser
und Burgen Rheinland-Westfalens, durch die gothischen Dome, so wie durch unsere Mu-
seen-gewiihrt die Ueherzengnng, wie lebendig das Gefühl für die Kunst in den Gewerben
bei unseren Altvordern war, und wie sie auch den unscheinharsten Gegenstand für den
täglichen Gebrauch künstlerisch zu verschönern suchten.
„Cöln und Trier besassen berühmte Email-lfabriken, deren Arbeiten denen von Li-
rnoges nicht naehstanden. Bewnndernswerth sind die Arbeiten der rheinisch-westfälischen
Gold- und Silberschmiede, der Helm- und Harnischmacher, der Watfensohmiede, Glasmaler,
Teppicbweber, Holzschnitzer, Schlosser, Kupfer- und Messinggiesser u. s. w. Derartige
Arbeiten in einem Museum in Originalien, Abgüssen, Zeichnungen, Photographien u. s. w.
zu vereinigen, und durch sie auf Läuterung des Geschmackes, auf Durchdringung der
Industrie mit den Principien der wahren Kunst, wie solches schon bei Engländern und
Franzosen der Fall ist, hinzuwirken: dns soll die Aufgabe des in Cöln zu begründenden
Museums sein.
"Es wird dabei ganz besonders auf künstlerische Durchdringung der Arbeiten unserer
Handwerker Rücksicht genommen. Vergleicht man die Leistungen früherer Jahrhunderte
mit denen der Gegenwart, so wird man zur Ueherzeugung gelangen, dass letzteren das
wahrhaft Schöne im Verein mit dem Nützlichen und Zweckmässigen nur selten innewohnt.
Und doch besitzt der deutsche Handwerkerstand heute mehr als im Mittelalter die Bil-
dnngsfrilnigkeit, die nur des Siusscren Anstosses bedarf, um ihn wieder auf jene Bahn zu
leiten, auf der im Mittelalter so viele herrliche Schöpfungen ausgeführt wurden. Die
Schule hat schon wesentlich vorgebildet und die Empfänglichkeit für das Schöne und
Geschmackvolle genährt. Sodann haben die durch Eisenbahnen bewirkte Leichtigkeit des
Reisens, die Billigkeit illnstrirter Zeitschriften und technischer Werke, Photographien u.
s. w. den Kreis der Ideen des Handwerkers erweitert. so dass er heute ungleich hetiihigter
ist, auf den Gebieten der Kunst-Industrie Schönes zu leisten, wie im Mittelalter, wo die
Geistesbildung im Allgemeinen eine sehr schwache war.
„Macht man den Handwerker leistungsfähiger, so wird auch der Wohlstand unddio
Gesitturlg des Mittelstandes zunehmen und Staat und Gemeinde ziehen daraus ökonomische
Vortheilc, die mit dem zunehmenden Wohlstands steigen. Hier ergibt sich das Interesse,
das die rheinisch-westfiilischen Städte an dem Zustandekommen eines Museums für Kllllßte
Industrie zu nehmen haben, ein Interesse, das die Stadt Cöln bereits anderweit bekundete,
als ihre Vertretung 100.000 Thnler für das Polytechnicurn votirte. Ein ähnliches Interesse
documentirt sich an den Beiträgen, die aus allen Provinzen für das "Gefmalilättllß Mu.
senm" in Nürnberg gezahlt werden. Viel directer, folgenreicber und umgestaltender würde
ein Museum für Kunst-Industrie in Köln wirken, da diese Stadt durch Eisenbahnen und
die Wnsserstrasse des Rheines mit den übrigen rheiniseh-westtälischen Städten aufs engste
verbunden ist, so dass die Benutzung des Museums Jedermann erleichtert wird. Ferner
darf man erwarten, dass, wie solches namentlich in Wien und London geschieht, der Adel
und die reichen Bürger ihre Kunstwerke durch die Ausstellung zur Anschauung bringen,
dass ferner auch die in Rheinland und Westfalen in Schlössern und Bürgerwohnungen
vorhandenen Schätze dem Museum leihweise überlassen werden, damit dieselben als Mu-
ster des guten Geschmackes fördernd und anregend auf l'ahrikanten und Handwerker
wirken können.
„Der grosse Colbert iiusserte einmal: ,Wir müssen Europa mit unserem
Geschmacks bekriegen und dnrch die Mode uns die Welt unterwerfen."
Wer möchte behaupten, dass dies den Franzosen nicht gelungen sei? Ihre Industrie hat
Milliarden aus Deutschland gezogen, weil sie den Geschmack beherrschte oder weil man
doch glaubte, die Franzosen hätten Geschmack. Soll das deutsche Volk, das seine go-
thisehen Dome mit der Farbenpracht der gemalten Fenster, den wunderbaren Arbeiten in
Metall, Holz und Stein, den kostbaren Gewändern, Teppichen und Geräthen ausstattete;
dessen Burgen, Rathhäuser und Privatwohnungen so reiche Schätze mittelalterlicher Kunst-
Industrie bergen; dessen Industrie so grossartige Blüthen am Riesenbaume des mensch-
lichen Schadens treibt; - soll dieses Deutschland mit seinem Volke der Denker, Künstler
und Fabrikanten nicht dazu berufen sein, auch im Reiche des Geschmacks den Ton an-
zugehen? Jedenfalls wird es sich der Mühe lohnen, den Versuch dazu zu machen und
wird dann wenigstens die Herrschaft der Franzosen eine bestrittene und getheilte sein.
„Im Mittelalter durchdrang der Sinn für die Kunst und die Freude am Schönen
und Geschmackvollen das ganze Volk, wie ein Blick in alte Bürgerhäuser beweist, wo
jedes Schloss, jede Thür, jeder Schrank, ja der Fenerheerd und die Wetterfahne ihre styl-
gcmlissen Verzierungen besessen. Daher kommt es auch, das; die Pmrlucm de, mmd.
alterliehen Kunst-Industrie jenen bestimmt durchgeführten Charakter aufweisen, den man
heute bei den meisten derartigen Arbeiten vergebens sucht. Aus dem steigenden Wohl-
stnnde der Nation wie aus der wachsenden geistigen Bildung folgt aber die Nothwendig: