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liche Wirken des Vereins zur Ausbildung der Gewerke anerkannt werden muss, so besitzt
er doch notorisch nicht die zur Organisation einer eigentlichen Kunstgewerbeschule nöthi-
gen Mittel. Der Staat hatte zwar schon zur Erhaltung der bisherigen Schule in ihrem
beschränkten Umfange nicht unbeträchtliche Zuschüsse geleistet, auch die Räumlichkeiten
für dieselbe unentgeltlich zur Verfügung gestellt, aber es war ihm jede Einwirkung auf
Methode und Bestellung des Unterrichts benommen. Im Hinblick auf die reichen Kunst-
sammlungen Münchens, welche die beste Gelegenheit und die schönsten Vorbilder zur
Ausbildung und Verfeinerung des Kunstsinns und Kunstgeschmacks bieten, musste es als
wahres und dringendes Bedürfniss der Zeit erscheinen: eine Unterrichtsnnstalt zu gründen,
welche dem doppelten Zweck entspricht, einerseits eine Vorschule zu sein für die Aka-
demie der bildenden Künste, andererseits aber und hauptsächlich das Element der Kunst
mit dem Handwerk, mit Gewerbe und Industrie in Verbindung zu bringen, die Anwen-
dung der Grundsätze der Kunst auf diese zu ermöglichen. Die Errichtung einer solchen
Schule in München , wo für manche Richtungen , namentlich für Decorationsmalerei und
Malerei auf dem kunstgewerblichen Gebiet überhaupt, die vorzüglichsten Kräfte und Mit-
tel vereinigt sind, bietet eine wesentliche Ergänzung der Reihe von Unterrichtsanstalten,
welche bestimmt sind , die Ausbildung in der Kunst zu lehren, den Kuustsinu im Volke
zu heben und zu pflegen, und dadurch auf dessen allgemeine Gesittung einen wnhlthütig
fördernden Einlinss zu üben. Dass die Entwicklung und Anwendung der Kunst in dieser
Richtung auch in fast allen Schichten der Bevölkerung die lebhafteste Theilnahme findet,
und das Entgegenkommen der Staatsregierung hierin als einem wahren Bedürfuiss ent-
sprechend anerkannt wird, dafür sprechen schlagend die glänzenden Erfolge, welche die
Nürnberger Kunstgewerbeschule in den letzten Jahren, und namentlich auch bei der allge-
meinen Weltausstellung in Paris, erzielt hat; dafür liefert auch den sprechenden Beweis
die beillillige Aufnahme, welche der Vorschlag der Staatsregierung auf Errichtung einer
Kunstgewerbeschule in München von Seite der beiden Kammern des Landtags überein-
stimmend gefunden hat, und die Bereitwilligkeit, mit welcher sie die dafür erforderlichen
Mittel bewilligt haben. Im Budget der neunten Finanzperiode sind für den Zweck der
Errichtung einer vollständigen Kunstgewerbeschule in München 9000 d. jährlicher Ge-
sammtbetrag vorgesehen. Nachdem nunmehr die Anträge des Oultusministers auch die
Genehmigung Sr. Maj. des Königs erhalten haben, wird diese Schule als allgemeine, aus
Centralfonds des Staates dotirte und unterhnltene Laudesanstalt mit dem l. October d. J.
ins Leben treten. Sie wird, gleich der Nürnberger Kunstgewerbeschnle, direct dem Cul-
tusrninisterium unterstellt sein, überhaupt auf denselben Grundbestimrnungen beruhen wie
jene. Was die Nürnberger Kunstgewerheschule für die nördlichen Provinzen Bayerns
leistet, soll durch die Münchener in ähnlicher und zum Theil rnodificirter Weise für die
südlichen Provinzen des Königreichs und auch, soweit Gelegenheit und Verlangen danach
besteht. den angränzenden auswärtigen Gebietstheilen geboten werden. Die Stellung des
Directors und der Professoren an beiden Schulen ist vollkommen gleich. Die Aufgabe
der Münchener Kunstgewerheschule wird sein: Architektur, Plastik und Malerei in ihrer
Zusammengehörigkeit und vollen Verwendbarkeit auch für Industrie und Gewerbe kennen
und anwenden zu lehren. Diese Aufgabe soll erreicht werden durch künstlerische Studien
und technische Uehungen, durch Vorlesungen und durch die von der Schule geleitete Be-
niitzung der königlichen Sammlungen und insbesondere des Nationalmuscnrns. Die tech-
nischen Uebungen ermöglichen die praktische Anwendung des Erlernten bei Anfertigung
von Mustern, Proben und Modellen nach Entwürfen der Lehrer und Schüler, wie nach
ültern Vorbildern. Mit den nothwendigsten Einrichtungen ausgestattet, wird die Schule
im Stande sein, der Industrie künstlerisch gebildete Techniker, Modelleure und Zeichner
zuzuführen, welche fähig sind, ihren Preducten ein künstlerisches Gepräge zu verleihen.
Als Vorschule zur Akademie der bildenden Künste wird sie die bisher bestandene Verbin-
dung mit dieser forterhalten und der Akademie Gelegenheit geben, ihre allfälligen Wün-
sche und Wahrnehmungen darzulegen. Andererseits wird sie in einem bestimmten Zu-
sammenhangs und in fortlaufender Wechselbeziehung stehen zum hiesigen Verein für Aus-
bildung der Gewerke, in der Art, dass sie dem Verein wie einzelnen Gewerbtreibenden auf
Verlangen Zeichnungen oder Modelle zur Ausführung liefert, dass die als befähigt und
tauglich hefundenen Lehrlinge gegen Entrichtung eines mässigen Schulgeldes Aufnahme
erhalten, und dass dem besagten Verein freigestellt wird, die tüchtigsten jungen Leute
aus seinen Mitteln mit Stipendien zu unterstützen. Die von dem bisherigen Leiter der
Vorschule, Professor Dyck, entworfenen Statuten der zu errichtenden Kunstgewerbeschule
haben die Genehmigung des Königs erhalten; deren Ergänzung oder künftige Revision ist
der Prüfung und Genehmigung das Cultusministeriums vorbehalten. Vorliiuiig werden der
Schule jene Räumlichkeiten in dem ehemaligen Galleriegehäirde zur Beniitzung überlassen,
welche bisher der akademischen Vorschule und dem Verein für Ausbildung der Gewerke
in widerrudicher Weise eingeräumt waren, und welche durch Verlegung eines Theils dcr