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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1868 / 36)

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eims fiir sich bestehende niedere Gewerbs- und Handelsschule (analog der Lzteinschulo 
der bayerischen Studienanstalten), während die obere Abtheilung eine Vcrbereitungsschule 
ist fir diejenigen, die ihre Studien auf einer höheren Gewerbschule (zu Chalons, Angers 
oder Aix) oder aul der Pariser Centralschula fortzusetzen gesonnen sind. Neben diesen 
Schulen geniesst einen grossen Ruf die von dem Nationalölgouomen Blancqui gegründeter 
und gegenwärtig unter der Leitung von Gervais stehende "Ecole superieure du commerce" 
in Paris, welche von dem Ministerium des Ackerbaues und des Handels süzventionirt ist 
und theoretische und praktische Vorbereitung für den Handel gibt. 
Neben den vorstehend genannten technischen Uuterrichtsanstalten gibt es in Frank- 
reich viele technische Privatinstitute, so das stark und mit Erfolg besuchte von- 
Pornpäe gegründete Institut zu Ivry bei Paris, welches in Ziel und Einrichtung den deut- 
schen ltealgymnasion. sich nähert, im Uebrigen die Schüler in ähnlicher Weise vorbereitet 
wie die „Ecols Turgot" und das „Collhge Chaptal". Eines noch grösseren Rufes erfreuen- 
sich die industriellen Zwecken dienende Schule von Rossat in Charleville und die Schule 
für Mechaniker und Bautechniker in Douai, aus deren oberem Cursus vortrclfliche Bau- 
techniker (Maurer, Zimmerleute, Schreiner, Steinmetzen, Schlosser etc.) hervor-gehen. Eine- 
der hervorragendsten Schulen der Art ist aber die von Bourcart gegründete Industrie- 
schule in Guebweiler (Departement des Oberrheinn), die in Deutschland alle Beachtung 
ündan sollte. Im Jahre 1858 fasste der Industrielle Bourmrt dle Idee, für die Arbeiter 
Guebweilers eine Gewerksschule zu griinden, in welcher die Intelligenz der Arbeiterclasse- 
besser entwickelt wiirde und insbesondere dem grossen Mangel an brauchbaren Contre- 
mßitrss abzuhelfcn. Bourcart begann damit, dass er die Arbeiter einlud, sich unter seiner 
Leitung zu einem dem Lernen gewidmeten Kreis zu vereinigen und micthete zu dem Ende 
ein Local und eine Bibliothek. Die erste Gruppe von Arbeitern, die zu Stande kam, war 
- ein Gesangverein. In gewerblicher Hinsicht wollte das freilich nicht viel sagen, je- 
doch war ein Anfang gemacht und ein Mittelpunkt geschaliisn, der seine Anziehungskraft- 
in kürzester Zeit zu iiussern beganm. Denn binnen kurzem bildete sich eine- Gruppe von 
jungen Kaufleuten, die englische Sprache trieben, dann eine Gruppe von Arbeitern, die 
französisch lernten, bald nachher Gruppen zur Uebung im Linearzeichnen, zum Studium, 
der Arithmetik etc. so dass durch die Wahl eines ComxICs fiir die Leitung des Ganzen 
Sorge getragen werden mussw. Nach Ablauf des ersten- Sexenniurns waren- aber die 
Kosten so angewachsen, dass der Einzelne sie nicht mehr zu tragen iin Stande war. Auf 
die Bitte Bourcarfs hin waren die (lswerbtreibendeu der Stadt und des Departements cin- 
sichtsvoll genug, die Zukunft der Anstalt durch einen Beitrag von 25,000 Frcs. zu-siehern. 
So entwickelte sich denn diese Lehranstalt zu einer der grössten und in praktischer Hin- 
sicht vielleicht zu der hestsn gewerblichen Anstalt heran, die Frankreichl hente- besitzt. 
Die Zahl ihrer Gruppen und Cirkel ist bis auf 30 angewachsen. die ihrer Schiiler- auf 
mehr als 500. Die wirthschaftlichen Wirkungen das Institutes liegen klar zu- Tage. Die 
sittlichen und ökonomischen Vcrhiltnisse der Arbeiten-lasse des Oberrheins haben sich 
wesentlich gebessert, die Leistungsßhigkeiteu und die- Widerstandsfihigkeit der Fabriken 
gegen ausländische Concurrenz und gegen die Wirkungen der l-faurnwollkrisis, welche den 
Oberrhein fast ganz verschonte, während sie der Bamuwollindus-trie der Normandie- arge 
Wunden beigebracht, haben sich bedeutend gehoben, zum grossen Theile als Folge der 
höheren Bildung der Arbeiterbsvölkerung durch die Schule zu Guebweißler. "He jährlichen 
Kosten der Lehranstalt, deren Organisationsplan bei der Gründung von gewerblichen 
Fortbildungsvereinen in Deutschland wohl in's Auge gefasst werden sollte, wenn eine 
stabile, den unvermeidlichen Stürmen widerstchende, und keine papierne Schöpfung 
geschafen werden soll, betragen für 500 Schüler nur 3000 Frcncs, filr jeden Zögling 
mithin nur 6 Frauen, die im Nothfalle von d'en: Schüler selbst gezahlt werden können. 
Was den Modus des Unterrichtes betridt, so: geht man in Guehweilcr von dem Princip 
aus, die Lehrer der Schule nur aus der hidustrie selbst zu nehmen, und zwar aus den 
Angestellten und Arbeitern der industriellen Etablissements der Stadt und der Umgcgcnd. 
Denn diese allein verstehen es mit praktischer Kcnntniss das Norhwendige zu lehren und. 
das Ueberßiissige beiseite zu lassen. Sie allein flössen dem Arbeiter Vertrauen ein, welA 
cher dieses jedem versagt, der nicht selber Arbeiter ist. Ueberhaupt sollte es überall, wo 
es sieh zunächst um die Bildung des Arbeiters handelt, statt ößentlicher Curse, gewisser- 
massen nur familiäre Cirkel geben, in welchen der Professor nach dem allgemeinen Vor- 
trag jedem Einzelnen mit speciellen Rathschlägen nachzuhelfen sncht. Denn es handelt 
sich ja hier mehr darum, jedem das unerliisslichste Wissen zu vier-schaden, als einen allr 
gemeinen Unterricht zu geben, der die Kräfte des Zuhörern meist überschreitet, und jeden- 
falls viel zu weitaussehend ist. Die Natur des Unterrichts, sowie die Theilung der Curse 
muss hier durchaus technologisch sein. Der Unterricht muss mitten in's Herz der Ins 
dustrie, in medißs m, eindringen. Man muss den Zuhörer vor allem in dem unterrichten, 
womit er sich alle Tags beschäftigt, um ihn von dem Nutzen des Unterrichts zu über-
	        
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