Die Verbindung, die iu diesen Fabricatcn Leder und Metall mit einander einge-
gangen sind, so dass man oft kaum weiss, was Leder, was Metall und ob nicht das Gold
wirklich nur Chimiire ist, hat auch auf die höhere Buchbinderkunst zurückgewirkt. Die
Prscbteinbiinde üir Alburns, Diplome und dgL, die in Wien zahlreich und glänzend fabri-
cirt werden, haben ihr eigentliches Material, das Leder, aus den Augen verloren, sie sind
eben Prachterzeugnisse, zu deren Herstellung gar verschiedene StoEe und gar verschie-
denartige Arbeiter mitgewirkt haben. Die Wirkung mit Vergoldung, Bronze, Edelsteinen,
Email, Elfenbein u. s. w. ist dann wohl eine glänzende, aber selten eine künstlerische
und noch seltener eine der Sache angemessene oder zweckmiissige. Von dieser Art sind
die ausgestellten Arbeiten Girardets, der bis zu seinem Tode wohl als der Anfänger
und Leiter in diesem Genre zu betrachten war, und mancher anderen, nur R o llin ger
ist mit feineren Bucheinblinden seinem Material und seiner Aufgabe treu geblieben und
schliesst sich dadurch den neueren Arbeiten der Franzosen auf diesem Gebiete an, die
zu Grolier und seinen Zeitgenossen zurückkehren.
Das „Zu viel," das die österreichischen Prachteinbäude kennzeichnet, trißt auch
andere Zweige der Kunstindnstrie, z. B. die Meerschaumarbeiten, welche in Paris in ge-
schlossener Phalanx und breitcr Masse auftraten und darum in der Gesammtheit einen
bedeutenden Eindruck hervorbrachten. In der That hat sich die simple Pfeifenschneiderei
zu einer Art Kunst erhoben, aber sie ist weit über ihre Grenze hinausgeschossen. Die
Pfeifenköpfe und Cigarrenspitzen sind nicht mehr Gegenstände der Oruamentation und
einer künstlerischen Gestaltung, sondern nur noch Postaurente für die Entfaltung der blü-
hendsten modernen „Denkmalwuth" aller Art im Kleinen. Monumentale Cigarrenspitzen
und Pfeifenköpfe zu liefern, das scheint gegenwärtig die Aufgabe dieses Industriezweiges
zu sein, den ein gesunder Kunstsinn wieder in seine Grenzen zurückführen muss.
Im Ganzen ist uns das „Zu viel" lieber, als das „Zu wenig"; eine ausgelassene
Kraft kann man einschränken und zu tüchtigen Leistungen bringen, Mattherzigkeit, Fad-
heit, Langeweile, wie sie über der deutschen Kunstindustrie ruhen, bleiben einigermassen
hoffnungslos. Leider können wir das „Zu viel" nicht auch von den österreichischen
Goldschmieden und Juwelieren sagen, die von der Weltconcurrenz fast gänzlich ausge-
blieben waren, und was erschienen, hatte keine Originalität, man müsste denn den böh-
mischen Granatenschmuck dafür ansehen. Zu nennen ist nur das Etablissement von
Brix und Anders, aber diese Anstalt, aus welcher wir so manche vortreffliche Kirchen-
gefilsse in mittelalterlicher Richtung haben hervorgehen sehen, hatte eine änsserst unglück-
liche Auswahl von styllosen Beispielen getroffen und bei Weitem nicht zahlreich und be-
deutend genug ausgestellt.
Eben so wenig im Verhältniss zur Production des Landes schienen uns die Arbei-
ten in Thon und Porcellan zu stehen. Die Exposition der Drasche'schen Fabrik war
allerdings grossartig genug und ihre mehr künstlerischen oder kunstindustriellen Arbeiten
in gut gebrannter Terrocotta, vorzugsweise zur Zierde des Gartens bestimmt, genügten
auch zu diesem Zwecke, wir hätten aber den Ggürlichen Compositionen, die ihrer Be-
stimmung gemiiss feinere plastische Durchbildung nicht verlangen, anstatt dessen etwas
mehr Frische und Phantasie, selbst einen keckern, dottern Realismus, der hier wohl an
der Stelle gewesen wäre, gewünscht. Glasirte Fayencsn, in der Art der Mintonhcheu
zum Gartenschmuck bestimmt, vennissten wir.
Was das Porcellan betrilTt, so karn es uns vor, als ob die Fabrik von Fischer
und Mieg in ihrer Wiener Niederlage sich besser und reicher prlisentirt, als es zu Paris
der Fall war. Ihr Streben, mehr für die Mittelclasse zu arbeiten und die entsprechende
Waare fein, nett und elegant zu verzieren, ist ganz richtig und auerkennenswerth. nur
sollte sie sich vielleicht weniger von der Mode des Tages beirren lassen. Unerschütterlich
seine eigene Stellung, man möchte sagen, der ganzen Welk zum Trotz, behauptete auch
in Paris Moriz Fischer von Herend, und er thut vollkommen Recht daran. Moriz F'-
scher ist eine Specialität und noch dazu eine sehr glückliche. Es ist bekannt, dass er
als Imitztnr seinesgleichen sucht und selbst die Chinesen in der Nachahmung ihres eige-
nen alten Porcellans übertrilh, aber seine eigene Weise ist nicht minder anerkenneus-
werth. Das Porcellm hat heutzutage in Stoifgehalt und Ornameutstion fast überall seine
alte Bahn verlassen; es sucht nicht in sich seine Kunst, sondern in möglichst vollendet
ausgeführter Malerei auf möglichst weissem Spiegelgrunde. Ohne sich zur hohen Kunst
zu erheben, hat es dadurch jene unangenehme Glätte angenommen, die man „Porcellan"
nennt. Im Gegensatz dazu hält Fischer stofllich am dichten Porzellan und künstlerisch
an rein decorativer Verzierung fest und alle seine Werke machen daher den angenehmen
Gesarnmteiudruck des chinesichen und des Rncocoporcellans. Fischer capricirt sich zu-
gleich darauf, nur technisch tadellose Arbeiten zu liefern, ja er sucht die technischen
i Schwierigkeiten auf, um in ihrer Ueberwindung seine Kunst zu zeigen, und hat in dieser
Weise eine eigene Art, das „Geure Fischer" geschahen, Gefasse mit doppelter Wandung,