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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1868 / 38)

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bilden, um in ihrem Gewerbe technisch Vollendetes leisten zu können. Selbstverständ- 
lich muss der gewerbliche Unterricht gleich mit dem aus der Volksschule kommenden 
und einem Gewerbe sich zuwendendeu Lehrling begonnen werden; da aber die Jahre der 
Lehrzeit bei den wenigen Stunden ausser der Arbeitszeit, welche der Lehrling dem Be- 
suche des Unterrichtes und der Uebung iu der Schule widmen kann, zur Erlangung der 
wünschenswertben Ausbildung nicht hinreichen, so ist es nothwendig, auch einen Unter- 
richt fiir die Gehilfen und den kleinen Gewerbestand in's Auge zu fassen. 
Betrachten wir nun die zur Unterrichtsertheilung an Gewerbebeflissene in Nieder- 
Oesterreich derzeit bestehenden Schulanstalten, so finden wir zunächst die mit den Volks- 
schulen verbundenen Wiederholungs- und Fortbildungsschulen. Diese Schulen 
befanden sich bei uns bis zum Jahre 1864 in den ärgsten Zuständen und der Unterricht 
in denselben hatte - abgesehen von seiner Beschränkung auf zwei Sonntagsstunden - 
keinen Werth, ja er verdiente sogar seinen Namen nicht. Kleine Remunerationen ausge- 
nommen, welche zeitweise der n. ü. Landtag, die n. ö. Handels- und Gewerbekammer und 
einzelne Gemeinden eifrigeren Lehrern zuwcndeten, erhielten die Lehrer Rir den bei der 
sehr ungleichen Bildung der Schüler schwierigen und ermüdenden Sonntags-Wiederholungs- 
unterricbt keinerlei Vergütung, was der Sache gewiss nicht förderlich war. Für geeignete 
Lehrmittel, so wie fiir eine entsprechende Eintheilung der Schüler in Classen, je nach 
ihren Vorkenntnissen, war gar nicht gesorgt; Lehrlinge, welche die deutsche Sprache 
nicht sprechen, ja nicht verstehen konnten, sassen neben deutschen. Dass ein solcher 
Unterricht bei den Lehrlingen selbst weder Ernst, noch Eifer, bei den Lehrherren aber 
keine günstige Meinung erwecken konnte, ist leicht erklärlich. Erst im Jahre 1864. als 
das Decret des k. k. Staatsministeriums vom 5. Juni erschien, liess sich eine gründliche 
Abhilfe gegen diese Missstände erwarten. Es lag nun an dem Gemeinderathe und an dem 
Magistrate von Wien, dann an den politischen Behörden und Gemeindevertretungen auf 
dem Lande, diesem Decrete gemäss vorzugehen; wenn dasselbe Mängel hatte, so liessen 
sich Anträge zu deren Beseitigung einbringen. Mit Bedauern erwähnt die Section jedoch, 
dass die Comuxunalvertretung Wiens bisher die g-rösseren Kosten, welche die Einrichtung 
und Ertheilung des nach dem Decrete vom 5. Juni 1864 verbesserten Wiederholungs- und 
Fortbildnngsunterrichtes allerdings verursachen würde, um so mehr scheut, als sie besorgt, 
es möchten die rnit grösseren Kosten eingerichteten und erhaltenen Schulen von Seite des 
Gewerbestandes nicht in der Weise benützt werden, dass der höhere Aufwand gerecht- 
fertigt ersebiene. So ist es zu einer vollständigen Durchführung des rnehrerwiihuten De- 
cretes noch nicht gekommen. Diese muss jedoch als eine unabweisbare Forderung hin- 
gestellt werden; denn ebenso, wie landwirthschaflliche Fortbildungsschulen erst jüngst 
vom k. k. Ackerbanministerium mit Recht als nothwendig bezeichnet worden sind, er- 
scheinen die gewerblichen Fortbildungsschulen unentbehrlich für das Gewerbe und es ist 
äir dieses ohne die vollkommene Einrichtung jener Schulen kein Heil zu erwarten. Hiezn 
bedarf es zunächst der Geldmittel; dann aber ist such erforderlich, die Gewerbetreibenden 
mit allen gesetzlichen Mitteln anzuhalten, dass sie ihren Lehrlingen die nöthige Zeit zum 
Schulbesucbe gewähren und für einen lleissigeu Besuch selbst Sorge tragen. 
Gehen wir nun auf den elementaren gewerblichen Unterricht über, so 
muss hervorgehoben werden, dass auch hier Fir das Allgemeine bis zum Jahre 1843 fast 
nichts geschehen ist. Es bestanden nur einzelne Privatzeichenschulen, dann die Manu- 
facturzeichenschule an der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien, welch' letztere 
jedoch hauptsächlich nur von den Söhnen bemittelter Geschäftsleute besucht wurde, den 
Lehrlingen und Gehilfen aber schon wegen der Unterrichtszeit nicht zugänglich war. Im 
Jahre [M3 unternahm zuerst der n. ö. Gewerbeverein die Gründung einer eigenen Ge- 
werbezeichenschule, der er namhafte Geldopfer brachte und mit welcher er später 
auch einen Curs für Weberei und Manufacturzeichnen verband, dessen Leistungen sehr 
erspriesslich waren. Ferner wurde im Jahre 1846, nachdem die Manufacturzeichenschule 
an der Akademie aufgehoben worden war, von Seite des Staates die k. k. Gewerbe- 
zeichenschnle am Polytechnicum gegründet, welche Schule noch heute Eir sich selbst- 
ständig geworden besteht und hauptsächlich für solche junge Leute berechnet ist, die einen 
grösseren Theil der Tagesstunden Gir die Schule verwenden können. Es ist dabei Rück- 
sicht genommen auf die Bedürfnisse der Metallarbeiter und der Baugewerbe, auf Maw 
schinenzeichnen, Manufacturzeichnen und Weberei. Die Schule hat geschickte Lehrkräfte 
und ist gut frequentirt. 
Für den populären Unterricht in der Physik, Chemie, Mechanik etc. fanden 
mehrere Jahre hindurch am k. k. polytechnisehen Institute jeden Sonntag Vormittags 
Vorträge statt, die, ungeachtet kein strenges System in denselben beobachtet werden 
konnte und das Zeitsusmass sehr gering war, innerhalb einer beschränkten Sphäre doch 
sehr nützlich wirktßn. Dasselbe gilt von den im n. ö. Gewerheverein an Winterabenden 
zwei Mal in der Woche stattfindenden populären technologischen Vorträgen.
	        
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