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Die Schnlen in und um Reichenberg.
(Zum Artikel: "Rückblick auf die Reichenherger Ausstellung?)
Unter der Aufschriß „Zur Berichtigung und Orientirung" hat der Lehrkörper der
Reichenberger Realschule in der Nummer der "Reichenberger Zeitung" vom 8. d. Mts.
gegen die in dem Artikel „Rückblick auf die Reichenberger Ausstellung" in Nr. 38 der
„Mittheilungen' enthaltene Bemerkung: „In Reichenberg selbst ist die Lage der Schule
eine sehr traurige", eine Entgegnung veröffentlicht, und namentlich in Bezug auf die dor-
tige Realschule, deren Schülerzahl in dem Artikel der "Mittheilnngen" als in Abnahme
begriffen und deren Lehrmittel iiir den Zeichenuntsrrieht als höchst unzureichend bezeich-
net werden waren, einige Aufklärungen gegeben.
Der Lehrkörpers bemerkt hierüber Folgendes: "Diese Abnahme der Schüler bezieht
sich lediglich auf die drei obersten Classen, da die unteren drei Classen so hinrei-
chend mit Schülern versehen sind, dass nicht blos der erste Jahrgang eine permanente
Parallelclasse wirklich hat und der zweite fast überfüllt erscheint. Die Frequenz in den
drei obersten Clusen zeigt von 1857-1862 folgende Zilfern:
1857 Gesammtzabl 439 Schüler,
1858 ,. m „
1859 „ 439 „
1860 ,. asr „
186i „ 40a ,
1862 „ 422 „
,ln diesen Jahren hatten die drei obersten Classen
102 Schüler, darunter blos 31 Einheimische,
101 „ 26
. . .
143 n .1 . 39 w
134 „ „ „ 24 „
139 u n n 21 s
143 n w n 23 u
„Diese Abnahme der Schüler ist nur zuzuschreiben theils den in günstigeren Schul-
stiidten, woher wir unser Contingent für die oberen Classen bezogen (Leitmsritz, Böhmisch-
Leipa, Pardubitz etc.), neu entstandenen Oberreslschulen, theils der Errichtung der städti-
schen Handelsschule in loco, sowie der kaum nennenswerthen Betheiligung unseres Platzes
selbst, dessen Sinn mehr auf das rein Praktische gerichtet ist. Abgesehen davon, dass
die Anzahl der Schüler keineswegs als Massstab der Tüchtigkeit einer Schule betrachtet
werden darf, wird Jedem klar, dass, wenn obige Umstände nicht factiseh stattfänden, un-
serer Anstalt der Vorwurf", sie nehme au Schülern ab, nicht gemacht werden dürfte.
„ Was endlich die schlechte Dotation der Schule betrifft, so lässt sich im Allgemeinen
nicht läugnen, dass wohl etwas Wahres daran ist; aber trotzdem zählt die Anstalt seit
der im Jahre 1864 erfolgten Organisirung vier Professoren mit Gehalten pr. 80H d. und
drei mit solchen pr. 700 B. sammt Dscennalzulagen neben den aus dem Fonde beseldeten
vier (recte fünf) Priimonstratensern. Ausserdem verwendet die Anstalt jährlich 500 bis
600 d. zu Lehrmitteln und besitzt trotz ihrer schlechten Dotution solche Lehrmittslsamm-
lungcn für die einzelnen Flcher, dass sie sich kühn den meisten Anstalten dieser Art
zur Seite zu stellen wagt. Ja selbst für den so hart hergenommenen Zcichnnngsnnter-
richt dürfte sich ausser den namentlich angeführten 3-4 Büsten noch eine erkleckliche
Anzahl von Vorlagen und bis 248 Stück von Gypk, Draht-. Thon- und Holzrnodellen finden."
Wir haben den Bemerkungen des Lehrkörpers der Reichenberger ObervRealschule
wenig hinzuzufügen. Was thatsiichlich in demselben zur Aufklärung und Berichtigung
enthalten ist, werden unsere Leser selbst mit derjenigen Befriedigung entgegennehmen, die
wir bei der Lectiire empfunden haben. Um Polemik ist uns nicht zu thun und unsere
Bemerkungen waren direct weder gegen die Schule, noch gegen den Lehrkörper gerichtet;
allerdings aber hatten sie die Absicht, die Zustände des Unterrichtes, wie sie in Reichen-
herg sind, zu beleuchten, und um nach dieser Seite hin unsere Meinung mit völliger Deut-
lichkeit auszudrücken, gehen wir sachlich in den angeregten Zustand weiter ein.
Vor Allem müssen wir unseren Standpunkt klar machen. Unsere Sache ist es nicht,
zu untersuchen und zu prüfen, ob irgend welche Suhulaustalt im Einklange steht mit den
Gesetzen und Vorschriften, die bestehen; dazu sind die competentan Schulbehörden vor-
handen. Unsere Aufgabe ist eine ganz andere. Wir haben die Lage der Kunstindustris
des Reichenberger Kammerbezirkes ins Auge zu fassen und die Frage zu beantworten, sind
die Unterrichtsanstalten, wie wir sie gefunden haben, vollständig geeignet, den Gewerben
und den Kunsthludwerken gut gebildete und gut geschulte Männer oder Jünglinge ent-