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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1868 / 39)

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gegenzuführen? Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, können wir nicht umhin, zu 
wiederholen, dass die Reichenherger Schulen uns ungenügend erscheinen. 
Die Bewohner Reicbenbergs selbst, welche an der Grenze gut verwalteter Staaten 
leben, deren Schulwesen sehr wohl geordnet und sehr gut geleitet ist, haben jeden Tag 
Gelegenheit, zwischen den benachbarten sächsischen, preussisch-schlesischerx und zwischen 
den österreichischen Schulen Vergleiche anzustellen. In wenigen Stunden sind sie in Zittau, 
Dresden u. s. f. und da. mögen sie die Hand an's Herz legen und fragen, oh nicht wir dies- 
seits der Grenze alle Ursache haben, datiir zu, sorgen, dass unsere Schulen mindestens ebenso 
gut dotirt, ebenso zweckmässig organisirt seien, als die in Sachsen oder in Preusseu. 
Die Zeit der Illusionen und die Zeit der Schönfärlierri ist vollständig vorüber. Wir 
selbst, die wir alle Weltausstellungen mitgemacht haben und auf allen Weltausstellungen 
auch die Art und Weise gesehen haben, wie Schulfragen dort behandelt werden, machen 
einen sehr bescheidenen Gebrauch vnu den Anerkennungen, welche man dort bekömrnt, 
hingegen einen sehr ausgedehnten von den Lehren, welche Weltausstellungen der Industrie 
Oesterreichs geben. Und die österreichischen Industriellen in allen Handelskammern, wo 
nur eiuigermassen Intelligenz und Muth vorhanden ist, sprechen sich eben in Folge dieser 
Lehren dahin ans, dass die Schulen, wir sie sind, den Anforderungen der heutigen Ins 
dustrie nicht entsprechen und dass eine Reform derselben unbedingt nöthig ist. 
Die Volksschulen in erster Linie leiden an Ueherfüllung und es ist wirklich unglaub- 
lich, dass eine Stadt wie Bieicheuberg und ihre sehr verrnöglichen und reichen Bewohner 
nicht dafür gesorgt haben, dass die Zahl der Volksschulen in Reichenberg bedeutend ver- 
mehrt und eine ordentliche Biirgerschule gegründet werde. 
Für die spcciellen Bedürfnisse der Weberei ist durch die Weherschule, und für die 
kaufmännische Ausbildung durch die Handelsschule vortreElich vorgesorgt. Fiir die grossen 
Kreise der Kunstiudustrie, die allerdings nicht in Reicheuberg. wohl aber in der nächsten 
Nähe Reiehenbergs und im Kammerbezirke vorhanden sind, ist mit Ausnahme der Schule 
in Stcinschönau factisch gar nicht gesorgt und auch diese Schule in Steinschönuu, die von 
einem vortreßlichen und unermüdlich tbätigen Lehrer geleitet wird, verdient eine viel 
grössere Dotation und eine viel nachhaltigem Unterstützung von Seite der Industriellen 
sowohl, als von Seite des Landes. Auch für die Bildung der Arbeiterclassen wird sehr 
ungenügend Sorge getragen. 
Die weit verbreitete Quincaillerie-Industrie und die Handwerker und Arbeiter, welche 
sich derselben widmen, sind factisch ohne alle Specialschuleu. Es ist allerdings im Laufs 
dieser Jahre im böhmischen Landtag ein Antrag gestellt worden, in Gablonz oder Liebenau 
eine solche Specialschule zu errichten. Dieser Antrag ist leider nicht genug unterstützt 
werden, trotz der Warnungen, die vcu allen Seiten ausgesprochen wurden. Wenn man 
weiss, welche Anstrengungen die Odeubacher machen, gerade durch Gründung einer guten 
Kunstindustrieschule diesem wichtigen Zweige des Haudclskamrnerbezirkes von Reicbenberg 
eine wirksame Concurrmiz zu mache-n. hat man sich nur über die Art wundern können. 
wie dieser Antrag zur Gründung einer Specialschule im Gablonzer Bezirke bei Seite ge- 
schoben wurde. 
Was speciell die Lehrmittel fiir den Zeichncixilnterritzht an den Realschulen überhaupt 
hetriiTt, so sind sie in dem gröseaten Theile der Monarchie ungenügend, und so lange unter 
einsichtigen Lehrern die Ansicht feststeht, dass nicht blos eine gute Lehrmethode und ein 
guter Lehrer nothwendig sind, um an einer Schule im Zeichnen Erfolge zu erzielen, 
sondern auch ein wohlgeordnetes Lchrmnterial. so lange werden wir ohne Furcht vor 
Personen und ohne Scheu, das Kind beim rechten Namen zu nennen, dort auf Vermehrung 
der Lehrmittel dringen, wo wir mangelhafte Lehrmittel gefunden haben. Nach dieser 
Richtung erfüllen wir mit unserer Tendenz eine Pdichi, die uns die Stellung auferlegt, zu 
wclcher die Regierung das österreichische Museum berufen hat. 
Wir begnügen uns heute mit diesen kurzen Andeutungen; wir werden in diesem 
Organe mehr als einmal noch Gelegenheit haben. die Zustände des ößentlichen Unterrichtes 
in Oesterreich zu beleuchten und zwar insbesonders jene Untcrrichtsaustztltcn, welche direct 
oder indircct bemfen sind, den Gewerben, speciell den Kuustgowerben, unter die Arme 
zu greifen. R. v. E. 
Zur Hebung der Spitzen-Industrie im böhmischen Erzgebirge. 
Der Vicepräsident der Hzmdels- und Gewerbekummar iu Prag, Richard Ritter 
v. Dotzauer, selbst ein Sohn der Erzgebirges, hat einen Aufruf an die böhmischen 
Erzgebirgsbewohuer zur lbätigeu Mitwirkung an der durch das Centralcnmitä in Prag au- 
gestrebten Hebung der Spitzen-Industrie veröffentlicht, aus welchem wir nuchstr-horxd einc-n 
Auszug mittheilen. Veranlassung zu dieser Bmchure gab die von dem Verfasser im Laufe
	        
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