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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1869 / 46)

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Die deutsche Kunst-Industrie auf der Wittenberger Ausstellung. 
Die "N. Fr. Pr." brachte sogleich nach Erödnung der Wittenberger Ausstellung 
einen Bericht über dieselbe, welchen wir hier, in mehreren Stücken erweitert und vervoll- 
ständigt, wiedergeben. 
Man darf von einer Ausstellung, die, wie die Wittenberger, in einer Festung, nur 
durch die Energie einiger weniger Männer, des Bauiuspectors Deutschrnann und des 
Referendarius Scheele und ohne alle Unterstützung, ja selbst ohne alles Entgegenkommen 
der preussischen Staatsbehörden zu Stande gekommen ist, keine grossen Resultate erwarten. 
Hat doch die preussischc Regierung auf den Staatsbahnen jede Errnässigung für Frachten 
der Wittenberger Ausstellung verweigert, während die anderen Bahndirectiouen solche be- 
reitwillig zugestanden habenl Grosse Resultate können du nur hervortreten, wo Ausstel- 
lungen in Centren grosser Industrie und getragen von einem klar formulirten Programme 
veranstaltet werden. Nichtsdestoweniger verdienen einige Erscheinungen auf der Witten- 
herger Ausstellung besonders notirt zu werden. 
Vorerst ist das selbstständige Auftreten des Berliner Künstlervereines und des Ber- 
liner Architekten-Vereintes auf dieser Ausstellung, die mit der eigentlichen Kunst nichts 
zu thun hat, ein Ereigniss, welches die Strömungen des Künstlerlebens in Berlin charak- 
terisirt. In Berlin fühlt man, dass auf dem Gebiete der Kunst-Industrie Manches nachzu- 
holen ist, und man bemüht sich, diese Lücken im industriellen Leben auszufüllen. Die 
Special-Ausstellung der Berliner Künstler auf der Wittenberger Ausstellung ist nach dieser 
Richtung hin eine erfreuliche Erscheinung. Diese Ahtheilung der Ausstellung zählte 414 
Nummern. Die Künstler vergeben nichts von der Würde der Kunst, wenn sie so handeln, 
wie Snssmann-liellborn, Ludwig Burger, Ernst Ewald, A. von der Heyden, 
Hugo Freiherr v. Blomberg nud wie sie Alle heissen mögen, die in Wittenberg aus- 
gestellt haben. Sie tragen durch ihren Anschluss an die knnstindustriells Bewegung der 
Gegenwart wesentlich bei, das Leben zu verschönern und durch Anregung kunstgemässerer 
industrieller Werke den Werth der industriellen Production zu erhöhen. Auch in der 
Special-Ausstellung des Architekten-Vereines traf man bewährte Namen, wie den des ver- 
storbenen Ober-Baurathes Dr. Stiiler (1- 1865), den Strackls, Hude's. Gropius" u. 
A. m. Das Eintreten der Künstler in der bezeichneten Art gibt der Wittenberger Aus- 
stellung einen poetischen Andug. 
Ganz bezeichnend für den Standpunkt der heutigen Kunst-Industrie ist die auf 
mehreren Gebieten auftretende Verbindung des Emails mit Metallgegenständen. Wien hat 
schon auf der Pariser Ausstellung Bronzegegenstiinde mit Email-Ornament ausgestellt; das 
neue Opernhaus zeigt gleichfalls eine Menge vortrefflich entworfener und gut ausgeführter 
Bronze-Eniail-Objecte. Die Wiener Kleinkunst liefert ausserdem zahlreiche Proben trefflich 
emnillirter Objecte. In Wittenherg sind vorerst Ravenä-Sussmaun aus Berlin mit 
einer Reihe von Email-Arbeiteu auf Bronze und Kupfer aufgetreten, welche alle Anerken- 
nung verdienen. Diese Arbeiten repräsentiren einen in Berlin neu eingeführten Industrie- 
zweig. Wir werden diesen Zweig der Kunstindustrie Berlins im öslerr. Museum kennen 
lernen, du einige Stücke für die Sammlungen des Museums bestellt sind. An der Spitze 
dieses Berliner Unternehmens stehen die Herren Ravene, der hervorragendste Kunstfreund 
Berlins, und der ebenso geistvolle als liebenswürdige Bildhauer Snssmann-Hellborn, 
Correspondent des Museums, in Berlin. Auch das grädich EinsiedePsche Eisenwerk Lauch- 
hammer hat fnrbig-emaillirte. gut gearbeitete Eisenarheiten, Preetz in Berlin einige mit 
Emnil decorirte Bronze-Arbeiten ausgestellt, in der Art, wie sie die Wiener KUDIt-Indu- 
strie mit bisher uniibertrodener Präcision auf den Weltmarkt gebracht hat. Lerl's Bronze- 
Bijouterie-Objecte (aus Wien) finden nach dieser Seite hin wohlverdiente Anerkennung. 
Das Eintreten der Farbe in die Metall-Industrie steht in inniger Verbindung mit 
den allgemeinen Strömungen der modernen Kunst und Kunst-Industrie. Die Farbe ver- 
langt ihr Recht: ihre Stellung in der Gesammtproduction; es handelt sich nur darum, sie 
richtig zu verwenden, coluristisch richtig und technisch richtig; das Eine ist so wichtig 
wie das Andere; auf diesem Felde müssen Künstler und Kuustkenner einerseits und Ohe- 
rniker und Technologen andererseits Hand in Hand gehen, sollen Erfolge erzielt werden, 
die nachhaltig sind. In Wien arbeiten die Architekten Stark und Petscbnigg, die 
Emailleurs C. Hans und Chadt seit längerer Zeit und mit schönen Resultaten. Wün- 
schenswerlh ist nur, dass eine Specialität, wie der Chemiker der aufgehobenen kaiserlichen 
Pßrcellanfabrik, Kosch, in die Lage versetzt würde, seine speciell dieser Kunsttechnik 
Saflilllßte Thätigkeit auf dem Gebiete der eeramischen und Glas-Industrie wieder in 
grusserem Llassstabe und in Wien aufzunehmen. Es ist unglaublich, dass man eine Spe- 
cllhläh wie Kosch, dem die Kunst-Industrie so interessante Bereicherungen verdankt, in 
dem Momente in Hainburg auf einem fremdartigen Gebiete und in einer Zeit verwendet,
	        
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