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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 21)

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Dr. Gzernis Vorlesungen über die Physiologie der Farben. 
(Schluss aus dem Hai-Hefte.) 
IV. 
Eine noch viel einfachere Vorrichtung als das Schistoskup, um Farbenempfindungen 
ohne Anwendung der Pigmente im gewöhnlichen Sinne hervorzurufen. ist das Newton- 
sche Farbenglas. Wenu man auf eine horizontal liegende ebene Glasplatte eine schwach 
convexe Linse legt und an der Oberfläche dieses Systems gespiegelte: Licht in's Auge ge- 
langen lässt, so sieht man um den dunkeln Berührnngspunkt beider Gläser concentrische 
farbige Ringe in mehrmaliger Wiederholung und wechselnder Anordnung, die in einer 
gewissen Entfernung vom Centrnm endlich ganz erblassen. Um diese Erscheinung dem 
Verständnisse näher zu bringen, muss man sich erinnern, dass das Liebt in einer Wellen- 
bewegung des Aethers besteht. Wenn auf einen Körper zwei gleiche Kräfte in entgegen- 
gesetzter Richtung einwirken, so sagt man, sie heben sich auf, weil der Körper in Ruhe 
bleibt Achnlich bleiben die Aethertheilchen in Ruhe, wenn zwei gleiche Wellenbewegungen 
sie zu gleicher Zeit in entgegengesetzte Richtung zu bewegen trachten; dagegen ist ihre 
Abweichung von der Ruhelage eine um so grössere, wenn beide Wellenbewegnngen sie in 
derselben Richtung zu bewegen trachten. Im ersten Falle entsteht durch zwei aufeinander 
wirkende Wellenbewegnngen Ruhe, d. h. die zwei Lichtstrahlen löschen sich aus, im zwei- 
ten Falle verstärken sie sich. Jenes geschieht, wenn der Wegunterscbied eine oder ein un- 
grades Vielfache halber Wellenlängen beträgt, sie verstärken sich um so mehr, je mehr sich 
die Wegdilfcrcnr. einer oder mehreren ganzen Wellenlängen nähert Dies ist das I-lauptgesetz 
der sogenannten Interferenz. Bei dem Newtonschen Farbenglase befindet sich zwischen 
den zwei Gläsern eine Luftschichte, deren Dicke am Berührungspunkte Null gegen die Pe- 
ripherie allmälig zunimmt. An der obern und untern Flüche dieser Luftschichte wird Licht 
reflectirt und gelangt mit einem gewissen Weguntersehied, welcher von der Dicke der 
durchlaufenen Luftschichte abhängt, in unser Auge. In der Mitte, wo die Lnitschichte 
fehlt, wird kein Licht reliectirt, daher der dunkle Fleck, Gegen die Peripherie wird be- 
greiiiicher Weise zuerst fir die kurzwelligsten violetten und blauen Strahlen der Weg- 
nuterschied eine ganze Wellenlänge betragen, daher zunächst ein hlaugrauer Kreis. In 
etwas griisserer Entfernung erst folgt aus demselben Grunde ein Verstiirkungskreis der 
langwelligeren gelben, endlich rothcn Strahlen. Dann folgt wieder zunächst ein violetter, 
dann blauer lting, weil der Wegunterschied für diese Farben znerst zwei ganze Wellen- 
längen beträgt. 
Da die Dicke der Luftecbicht nicht glcichmiissig, sondern mit beschleunigter Ge- 
schwindigkeit zunimmt, so müssen die Kreise gegen die Peripherie immer näher aneinander 
rücken. Bei einer gewissen Entfernung endlich beträgt der Wegunterschied der beiden 
redectirten Strahlen z. B. für blaues Licht gerade sechs, für gelbes gerade finf Wellen- 
längen. An dieser Stelle sollte also zu gleicher Zeit ein gelber und blauer Ring entstehen. 
Da aber Gelb und Blau als Complementärfarben sich zu Weiss ergänzen, so entsteht eben 
kein farbiger Ring mehr. Dieses Znsammentretfen der Verstlrkungsringe mehrerer Farben 
an ein und derselben Stelle ist die Ursache des Erlrlassens der Farben gegen die Peri- 
pherie; ist die Ursache, dass dicke Platten keine Interferenzfarben geben. Es ist klar, 
dass, wenn zwischen zwei ebenen Glasplatten eine Lnftschicht von der Dicke sich befindet, 
wie sie die Luftscbicht des Farbenglases an der Stelle des ersten rothen Ringes besitzt, 
diese Luftschicht in der ganzen Ausdehnung rothes Licht redectiren muss. Dasselbe tbnn 
nicht nur dünne Iruhscbichten, sondern überhaupt dünne Plättchen verschieden brechender 
Medien. Dadurch wird wenigstens die Möglichkeit, im Schistoslmp durch verschieden 
dicke Gypsplättchen verschiedene Farben zu bekommen, dem Verstämlniss etwas näher ge- 
rückt, wenn auch der Vorgang dabei viel complicirter ist Es wird vielleicht selbst verständ- 
lich, wie man aus der Dicke der durchlaufenen Lnllschichte auf die Länge der Lichtwcllen 
schliessen kann. Es ist dies ein Beispiel, wie in der Naturwissenschaft an die richtige 
Beobachtung und Deutung eines Phänomens oft eine ganze Reihe höchst interessanter- 
Thatsachen sich anreiht. Wenn an dem dünnen Plättchen das Licht unter einem andern 
Winkel redeutirt wird, so ist der Wegnnterschied der beiden reliectirten Strahlen ein an- 
derer, daher auch die Farbe eine andere. Dieser Farbenwechsel ist charakteristisch für 
das Schillsrn und Irisiren. 
Ein Oelgemülde retlectirt in einer gewissen flir die Betrachtung desselben höchst 
ungünstigen Richtung an der Oberfläche das auffallende Licht ganz unverändert. Aus dcn 
tieferen Schichten desselben gelangt diEnses Licht, welches durch Absorption die Localfarbe 
angenommen hat, zu unserem Auge. Bei irisirenden Körpern dagegen ist der Glanz farbig. 
Ebenso verhält es sich bei farbigen Metallen. Daher sind wir so leicht geneigt, Interferenz- 
farbcn für Mctallfarbcn zu erklären, falls die Objccte auch die anderen Eigenschaften,
	        
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