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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 24)

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alten rohen Malereiverzierungeu, die Gebirgsschuitzerei hingelenkt hat. In diesem ge- 
schnitzten Uhrgehliuse aber lebt der roheste wildeste Naturalismus in einer Art, dass der 
dieser Industrie gewidmete Raum als die chambre of horrors der ganzen Ausstellung zu 
betrachten ist und nur in den Berliner Stickereien noch ein Seitenstück ündet. Ihnen zur 
Seite stehen die Berchtesgadener Schnitzereien, welche Naturnachahmnng anstreben und 
dabei nothwendig die grosse Natur der Landschaft höchst kleinlich und elend nachahmen. 
Hier thnt Veredlung noth und das Mittel hiezu ist Zeichnung und Formverstiindniss. 
Wahrlich, einem Lands wie Baden wiire besser gedient mit einer Kunstgewerbeschule und 
Knnstindushiemuseum, die Geschmack und gute Muster durch das Land verbreiteten, an- 
statt dasselbe durch eine Kunstschule mit Landschafmmalern zu überfluten. 
Nehmen wir andere Zweige der Industrie Süddeutschlands, die mehr moderner Art 
sind, wir werden sie überall imitirend und als Imitation hinter den Originalen der Erfin- 
dung und Geschmack, ja selbst hinter der Mode zuriicketehend finden. Da gibt es z. B. 
verschiedene Aussteller lackirter Waaren aus dem Württembergischen, Theebretter. Schalen, 
Brotkürbe, Kästchen u. s. w., auch jene japanische Perlmntterlackirung, die uns aus den 
holländischen Nachahmungen besonders bekannt ist; der Geschmack, der sich in allen 
diesen Arbeiten ausspricht, ist völlig ein bereits veraltet moderner, der nur noch in den 
unteren Schichten sich hält und hier mit seinen bunten Farben, mit seinen goldenen Zopf- 
schnörkeln, mit seinen schlechten Genrebildern, Vednten n. s. w. noch Gefallen erweckt. 
Die Ledergalanteriearbeiten von Nürnberg, die Holzgalanteriewaaren von Fürth stehen in 
gefdlligem Ansehen weit hinter den gleichen Wiener Arbeiten zurück, sie sind von ge- 
wöhnlichem Schlage, während die Wiener, so viel sich ihnen sonst mit Recht vorwerfen 
lässt, doch den Reiz des Mscbwerks besitzen und den Eindruck einer Specialität machen, 
der Interesse erweckt. Die Goldwaarenfabrication von Schwäbisch-Gmünd und anderen 
Orten fördert in der That nur Fabrikswaare zu Tage; die edle Goldschmiedekunst ist hier 
nach dem Leisten behandelt. Diese Dutzendwaare zeigt noch all den Unsinn. die Willkür, 
die Geschmacklosigkeit, die sich bis heute auf diesem Gebiete geltend machte, ohne kaum 
anders als mit den leisesten Anklängen, die unter der Masse verschwinden, die Spuren 
der Reform auf diesem Gebiete zu vsrrathen. Ihr Anblick ist dürftig und armselig; Email 
findet sich so gut wie gar nicht verwendet. Porcellan und Glas sind fast ganz vom Kampf- 
platz ausgeblieben, als hätten sie sich nicht getraut; auch die königliche Fabrik von Nym- 
phenburg, die doch sonst den Wettstreit der Nationen mitgemacht, haben wir nicht erblickt. 
Am besten von süddeutscher Kunstindustrie bewährt sich die Möbelscbreinerei, wohl 
desshalb, weil sie am unmittelbarsten unter dem Einfluss der Architekten steht. Die besten 
hat Stuttgart geschickt (Salon von Brauer), wo sich die Gediegenheit der Gewerbehalle 
geltend macht; auch Mainz, einst die Schule der norddeutschen Tischlergesellen, kämpft 
noch mit enerkennenswerthen Leistungen Hir seinen alten Ruhm auf diesem Gebiete. 
Der süddeutschen Kunstindustrie fehlt, um in Schwung zu kommen, bei den politi- 
schen Verhältnissen der groess Mittelpunkt des Lebens, der Weltmarkt des Luxus; sie 
muss daher, wie sie theilweise richtig that, für den Bedarf des bürgerlichen Hauses ar- 
beiten. Heutzutage ist es aber ein grosser Unterschied, für den bürgerlichen Stand und 
das bürgerliche Haus arbeiten und Ordinäres schaden; wir wollen, dass auch das Gewöhn- 
liche, das Billige, was dem Bürger erreichbar bleibt, veredelt werde, dass auch das ein- 
fache Geräth schön in der Form und angemessen in der Verzierung sei. Süddeutschland 
hat noch mancherlei zu thun, um dieser Forderung nachzukommen, wenn es nicht will, 
dass es selbst verliert was es hat. 
Norddeutschland hat zwar seine Metropole, seine Weltstadt in Berlin, deren Ein- 
fluss, bisher allmächtig in der Wissenschaft, mehr und mehr die Particularitiiten der ag- 
nectirtßn Staaten (auf unserem Gebiete gibt es ohnehin keine mehr) absorbiren wird. Aber 
die künstlerische Luft, die in Berlin weht, ist bisher der Kunstindustrie nicht günstig ge- 
wesen. Es fehlen die grossen Traditionen, die z. B. in Italien die Kunstindustrie immer 
noch auf einem hohen Standpunkt halten, es fehlen die Sammlungen guter alter Muster, 
die leiten und erfrischen könnten. Die norddeutsche Kunstindustrie ist daher statt auf 
Anregungen der Phantasie auf Leistungen künstlerischen Verstandes angewiesen, wenn 
sie nicht, wie wohl ausserhalb Berlin zumeist geschieht, entweder die französischen Muster 
oder die Schöpfungen von Berlin imitirt. Von der grössereu und bedeutenderen Kunst- 
industrie Berlins kann man nicht sagen, dass sie sich der Nachahmung Frankreichs hin- 
gibt, im Gegentheil, sie hat ihr eigenes speciüsch Berlinerisches, aber dieser ihr eigener 
Charakter ist reizlos, ist nüchtern, obgleich er hohe oder vielleicht weil er zu hohe Ziele 
verfolgt, das Wesen der Kunstindnetrie verfehlt und zu viel freie Kunst hineinbringt. 
Nehmen wir als Beispiel gleich eine Privatansialt, die berühmte Silbsrwaarenfabrik 
von Sy und Wagner (ehemals Hossaner) in Berlin. Ihre Ausstellung zeigt, dass ihr die 
grössten Aufgaben gestellt werden, welche überhaupt der Goldschmiedeknnst zukommen; 
wir erblicken hier die grossen und berühmten Schilder, die als Ehrengescbenke gedient
	        
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