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haben, desgleichen Vasen, Schalen, Pocale, Aufsätze, Blumengefässe der grössten Art. Die
besten Künstler aus der Schule Scbinkels und Bauch: haben die Compositionen gemacht
und die Modelle geliefert und die Ausführung in Silber ist nicht hinter ihren Intentionen
zurückgeblieben; die edelsten Formen sind angestrebt, die schönsten Ornamente der Grie-
chen und der Renaissance zur Verwendung gekommen. Und doch liegt über dem Ganzen
etwas, was den Gegenständen den Reiz und dem Beschauer das Vergnügen nimmt; viel-
leicht ist es Mangel an Schwung, an Frische und Originalität, vielleicht ist es der Um-
stand, dass wir die Arbeiten als Schöpfungen der hohen Kunst betrachten sollen, und sie
sind es doch nicht, weder nach dem Zweck, noch nach dem Material; sicherlich aber
trägt viel die keusche Entsagung dazu bei, welche sie jedem malerischen Schmucke der
Goldschmiedekunst, der Vergoldnng, dem Email, dem Besatz mit Edelsteinen gegenüber
beobachten. Das blasse Silber für sich allein ist ein kaltes Material, das uns eher ab-
atösst als anzieht.
Ganz denselben Eindruck machen die Arbeiten der königlichen Porcellanfabrik in
Berlin. Auch hier erscheint das Schöne und Edle in allen grösseren Werken angestrebt
und wir finden in den modellirten Figuren und Gruppen, in der grossen bemalten Vase
untadelige Arbeiten vom Standpunkt der hohen Kunst. Aber es ist eben wiederum zu
viel hohe Kunst getrieben und die speciüschen Reize des Porcellans, die Kenner und Lieb-
haber am alten Porccllan so wie an dem chinesischen und japsnesischen lieben und suchen,
sind darüber verloren gegangen. Das Berliner Porcellan ist zu gut ausgefallen, der Grund
ist entweder zu weiss oder zu schwarz, je nachdem, und die Malerei darauf, so vollendet
sie sein mag, zu hart und unharmonisch. Selbst die Berliner Imitationen orientalischen
Porcellans tragen diesen Charakter und unterscheiden sich dadurch auffallend von ihren
Originalen.
Abnormitäten und Muster des Ungeschmacks, wie sie Frankreich zahllos liefert,
kommen in der königlichen Fabrik - und das ist natürlich bei ihrem Charakter - gar
nicht vor, man müsste denn etwa dahin die Nachbildungen eines fremden und schlechte-
ren Materials rmhnen, in welchen grossen Fehler sie allerdings verfallen ist. So imitirt
sie die Majoliken, ohne indess bei dem eleganten Aeusseren des Porzellans, bei seinem
feineren Korn und seiner glänzenden Glasur denselben kräftigen und bei aller Handwerks-
miissigkeit virtuos-künstlerischen Eindruck hervorbringen zu können. Noch schlimmer
steht es mit der Imitation der ordinären deutschen Steingntkrüge; der Eindruck ist nicht
blos ein gänzlich anderer, es ist auch der feine und vornehme Steif zum gemeinen degra-
dirt. Was in jenen deutschen Kriigen des 16. und 17. Jahrhunderts den Reiz bildet, das
ist nicht ihre Handwerksmässigkeit oder ihr gemeines Material, sondern es ist der un'-
mittelbare Einfluss einer grossen Kunstperiode, der unbewusst sich auch in der Hand des
gewöhnlichen Arbeiters geltend macht. Gerade das aber muss nothwendig in der eleganten,
kunstvollen Imitation verloren geben.
Theilweise auf denselben Weg, aber nur theilweise, ist die königlich sächsische
Fabrik zu Meissen gerathen. Auch sie treibt hohe Kunst und setzt, nach ihrer einen Seite
hin, den Werth in die Vorzüglichkeit der Originalgemälde und in die Vorzüglichkeit ihrer
Nachbildung auf dem Porcellan. So haben die bedeutendsten Dresdner Maler ihre Com- '
positionen geliefert und auf einer Reihe von Tellern sehen wir Copien nach RaphaePschen
Gemälden. Das ist auch alles ganz vorzüglich ausgeführt; dennoch werden wir uns immer
sagen, wir sehen das alles lieber auf den Wänden oder in den Mappen, als auf Tischen
und Tellern, die wir nicht brauchen können und um deren kostbares Leben wir beständig
Sorge tragen müssen. Die Meissncr Fabrik hat aber eine grosse Vergangenheit gehabt
und diese Tradition der vieille Base bildet ihre zweite Seite. mit der sie sich auf viel
richtigerer Fährte bewegt. Die berühmte sächsische Fabrik hat im vorigen Jahrhundert
für das europäische Porcellan den Kunststyl geschaffen und dasselbe von der chinesischen
Imitation unabhängig gemacht. Es waren freilich die Formen und Capricen des Rococc,
aber diese harmoniren sehr gut mit dem Charakter des Porcellans. Diese Porccllane der
Rococozeit bewahren ganz die milde Harmonie der chinesischen und sie werden darum
nirgends einen störenden EEect machen; es sind bei ihnen die Eigenschaften des Materials
aufs glücklichste beobachtet und Plastik und Glasur zur höchsten Feinheit gebracht wor-
den. Solche Tradition, die ihren Rubm bildet, hat die Meissner Fabrik glücklicher Weise
nicht verleugnet und der grösste Theil ihrer Ausstellung zeigt sich derselben getreu. Nur
im Gesammteindruck betrachtet, werden diese Werke uns keinen Augenblick in Zweifel
lassen, auf welche Seite wir uns zu schlagen haben, auf ihre Seite oder auf die vom mo-
dernen Geschmack. Aber sie dulden auch die eingehende Betrachtung: es sind vorzüg-
liche Leistungen an Grösse wie an Feinheit. Und dennoch darf man sie mit ihresgleichen
aus der Romcozeit nicht unmittelbar zusammenstellen; man wird die letzteren, z. B. im
Flerschtcxn der kleinen Figuren, um vieles milder und zarter finden.
D19 übrigen Poreellan- und Thonfabriken Deutschlands, wie sie auf der Ausstellung