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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 24)

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haben, desgleichen Vasen, Schalen, Pocale, Aufsätze, Blumengefässe der grössten Art. Die 
besten Künstler aus der Schule Scbinkels und Bauch: haben die Compositionen gemacht 
und die Modelle geliefert und die Ausführung in Silber ist nicht hinter ihren Intentionen 
zurückgeblieben; die edelsten Formen sind angestrebt, die schönsten Ornamente der Grie- 
chen und der Renaissance zur Verwendung gekommen. Und doch liegt über dem Ganzen 
etwas, was den Gegenständen den Reiz und dem Beschauer das Vergnügen nimmt; viel- 
leicht ist es Mangel an Schwung, an Frische und Originalität, vielleicht ist es der Um- 
stand, dass wir die Arbeiten als Schöpfungen der hohen Kunst betrachten sollen, und sie 
sind es doch nicht, weder nach dem Zweck, noch nach dem Material; sicherlich aber 
trägt viel die keusche Entsagung dazu bei, welche sie jedem malerischen Schmucke der 
Goldschmiedekunst, der Vergoldnng, dem Email, dem Besatz mit Edelsteinen gegenüber 
beobachten. Das blasse Silber für sich allein ist ein kaltes Material, das uns eher ab- 
atösst als anzieht. 
Ganz denselben Eindruck machen die Arbeiten der königlichen Porcellanfabrik in 
Berlin. Auch hier erscheint das Schöne und Edle in allen grösseren Werken angestrebt 
und wir finden in den modellirten Figuren und Gruppen, in der grossen bemalten Vase 
untadelige Arbeiten vom Standpunkt der hohen Kunst. Aber es ist eben wiederum zu 
viel hohe Kunst getrieben und die speciüschen Reize des Porcellans, die Kenner und Lieb- 
haber am alten Porccllan so wie an dem chinesischen und japsnesischen lieben und suchen, 
sind darüber verloren gegangen. Das Berliner Porcellan ist zu gut ausgefallen, der Grund 
ist entweder zu weiss oder zu schwarz, je nachdem, und die Malerei darauf, so vollendet 
sie sein mag, zu hart und unharmonisch. Selbst die Berliner Imitationen orientalischen 
Porcellans tragen diesen Charakter und unterscheiden sich dadurch auffallend von ihren 
Originalen. 
Abnormitäten und Muster des Ungeschmacks, wie sie Frankreich zahllos liefert, 
kommen in der königlichen Fabrik - und das ist natürlich bei ihrem Charakter - gar 
nicht vor, man müsste denn etwa dahin die Nachbildungen eines fremden und schlechte- 
ren Materials rmhnen, in welchen grossen Fehler sie allerdings verfallen ist. So imitirt 
sie die Majoliken, ohne indess bei dem eleganten Aeusseren des Porzellans, bei seinem 
feineren Korn und seiner glänzenden Glasur denselben kräftigen und bei aller Handwerks- 
miissigkeit virtuos-künstlerischen Eindruck hervorbringen zu können. Noch schlimmer 
steht es mit der Imitation der ordinären deutschen Steingntkrüge; der Eindruck ist nicht 
blos ein gänzlich anderer, es ist auch der feine und vornehme Steif zum gemeinen degra- 
dirt. Was in jenen deutschen Kriigen des 16. und 17. Jahrhunderts den Reiz bildet, das 
ist nicht ihre Handwerksmässigkeit oder ihr gemeines Material, sondern es ist der un'- 
mittelbare Einfluss einer grossen Kunstperiode, der unbewusst sich auch in der Hand des 
gewöhnlichen Arbeiters geltend macht. Gerade das aber muss nothwendig in der eleganten, 
kunstvollen Imitation verloren geben. 
Theilweise auf denselben Weg, aber nur theilweise, ist die königlich sächsische 
Fabrik zu Meissen gerathen. Auch sie treibt hohe Kunst und setzt, nach ihrer einen Seite 
hin, den Werth in die Vorzüglichkeit der Originalgemälde und in die Vorzüglichkeit ihrer 
Nachbildung auf dem Porcellan. So haben die bedeutendsten Dresdner Maler ihre Com- ' 
positionen geliefert und auf einer Reihe von Tellern sehen wir Copien nach RaphaePschen 
Gemälden. Das ist auch alles ganz vorzüglich ausgeführt; dennoch werden wir uns immer 
sagen, wir sehen das alles lieber auf den Wänden oder in den Mappen, als auf Tischen 
und Tellern, die wir nicht brauchen können und um deren kostbares Leben wir beständig 
Sorge tragen müssen. Die Meissncr Fabrik hat aber eine grosse Vergangenheit gehabt 
und diese Tradition der vieille Base bildet ihre zweite Seite. mit der sie sich auf viel 
richtigerer Fährte bewegt. Die berühmte sächsische Fabrik hat im vorigen Jahrhundert 
für das europäische Porcellan den Kunststyl geschaffen und dasselbe von der chinesischen 
Imitation unabhängig gemacht. Es waren freilich die Formen und Capricen des Rococc, 
aber diese harmoniren sehr gut mit dem Charakter des Porcellans. Diese Porccllane der 
Rococozeit bewahren ganz die milde Harmonie der chinesischen und sie werden darum 
nirgends einen störenden EEect machen; es sind bei ihnen die Eigenschaften des Materials 
aufs glücklichste beobachtet und Plastik und Glasur zur höchsten Feinheit gebracht wor- 
den. Solche Tradition, die ihren Rubm bildet, hat die Meissner Fabrik glücklicher Weise 
nicht verleugnet und der grösste Theil ihrer Ausstellung zeigt sich derselben getreu. Nur 
im Gesammteindruck betrachtet, werden diese Werke uns keinen Augenblick in Zweifel 
lassen, auf welche Seite wir uns zu schlagen haben, auf ihre Seite oder auf die vom mo- 
dernen Geschmack. Aber sie dulden auch die eingehende Betrachtung: es sind vorzüg- 
liche Leistungen an Grösse wie an Feinheit. Und dennoch darf man sie mit ihresgleichen 
aus der Romcozeit nicht unmittelbar zusammenstellen; man wird die letzteren, z. B. im 
Flerschtcxn der kleinen Figuren, um vieles milder und zarter finden. 
D19 übrigen Poreellan- und Thonfabriken Deutschlands, wie sie auf der Ausstellung
	        
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