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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe II (1867 / 24)

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(hier allerdings nicht mit richtigem Geüihl) und solche Gewebe, die grosse Flächen zu 
bedecken bestimmt sind, haben sie ein einziges grosses Muster vorgezogen. Sie haben mit 
solchen Stoßen ein ganzes Schlafzimmer ausgestattet, Wände und Himmelbett (alles mit 
blauem Grund) damit überzogen und sie sonst angebracht, wo es möglich war. Die zarte, 
etwas nach der Ueberzartheit des Rococo schmeckende Wirkung ist nicht zu verkennen; 
die Zeichnungen enthalten in ihrer naturalistischen Weise viel Gefiilliges, das Enge und 
Durchbrochene erscheint meist klar vertheilt; immer aber ist die Klippe vorhanden, dass 
hier die schönsten Zeichnungen durch Brüche und Falten zerstört werden und schliesslich 
das Resultat eine Verwirrung und Vernichtung der Zeichnung ist. Für kleinere Gegen- 
stände, wie Taschentücher, Borduren, Kleider und Kleiderbesatz, haben sich die Schweizer 
anderseits mehr an_ kleine, regelmässig vertheilte oder der Form des Gegenstandes ange- 
passte Muster gehalten. Ihre Zeichnung aber erscheint insofern durchaus willkürlich, als 
Elemente aller Art, naturalistische, stylisirte, geometrische, nach Belieben gewählt sind; 
ein bestimmter Styl, eine bestimmte Geschmacksrichtung oder ornamentale Principien lassen 
sich nicht erkennen. 
Einen eigenthümlichen Eindruck macht eine andere Gattung von Schweizer Weberei, 
die gedruckten Baumwollstoße nämlich, welche besonders in der Volkstracht zu Kleidern, 
Kopf- und Umschlagtüchern, als Schürzen, Taschen- und Halstücher verwendet werden. 
Ihnen ist ein grosser, farbig decorirter Salon eingeräumt worden. Wenn man denselben 
betritt, so glaubt man sich in den Orient versetzt, so warm, so farhenglühend, so indisch 
roth-hnnt ist der Eindruck. Vom Schweizer heisst es in Hans Weigels Trachtenbuch: 
„Der Schweizer, wenn er prangt und pracht, 
Geht er in seiner alten Tracht." 
Woher nun dieser Orientalismus in den nationalen Costumes des Schweizers, denen 
er, leider mit wenig Grund, so gern das Prlidicat des Uralten leiht? Das Räthsel klärt 
sich auf, wenn wir näher treten und auf dem rothen Grunde dieser Stoife noch vollständig 
die Druckmuster der indischen und persischen Cattune finden. l'.n der That ist, was wir 
sehen, ein Abkömmling dieser orientalischen Stoffe, die erst im vorigen Jahrhundert bei 
uns eingeführt wurden und in Mode kamen und namentlich im Elsass durch ihre Imitation 
den blühendsten Industriezweig hervor-riefen. 
In der Schweiz sind sie durch ihre Billigkeit, auch wohl ihre Farbenheiterkeit, was 
dem Volksgescbmack noch alle Ehre macht, in die Vulkan-acht eingedrungen und haben 
namentlich von der Frauentracht, nebst einzelnen Ueberresten einer älteren, aber darum 
dem Ursprung nach kaum echteren nationalen Tracht, vollständig Besitz ergrißen. Mehr 
oder minder kann man dieselbe Beobachtung an den Volksnachten Russlands, Scandina- 
viens, in verschiedenen Gegenden Deutschlands, ja fast überall in Europa machen. Die 
Muster dieser von Hause aus indischen Stode sind allerdings vielfach verändert worden; 
auf den Schweizer Fabricaten begegnet man noch, wie gesagt, zum grossen Theil den alten, 
echt indischen Ornamenten, und namentlich ist dabei, natürlich absichtslos, die kleine Ver- 
theilung vieler Farben auf indisch rothem Grunde beibehalten worden. Daneben sieht man 
aber die Schnörkel des Rococo, meistens schwarz eingedruckt, oder häufiger noch unsere 
moderne naturalistische Blumistik, sodann nicht minder iigürliche Omamentation, Genre- 
bilder, Städteansichten, die Portraits berühmter Personen oder der Herrscher Europa's, letz- 
teres zumal auf Taschentiichern, wobei man nicht sagen kann, dass Zweck und Verzierung 
in angemessener oder gar anständiger Beziehung stehen. Endlich ist auch das schöne 
Indisch-Roth nur zu oft in ein moderneres von gemeinem Ton verwandelt worden. So hat 
allerdings der ornnmentale Kunstcharakter dieser Stufe gelitten, dennoch verleugnen sie 
auch heute noch ihre orientalische Heimat nicht. 
Sollen wir noch einer Specialität der Schweizer Kunstindustrie gedenken, so sind 
das die Uhren. Zwar als mechanische Kunstwerke entziehen sie sich unserer Betrach- 
tung, und das ist allerdings in eminenter Weise ihre Hauptseite, aber sie sind immer ein 
Gegenstand besonderer und auserwählter Verzierung gewesen und diese Verzierung hält 
einen anderen Kunstindustriezweig da neben sich in Blütbe, den des Goldschmiede, der 
wiederum Graveur und Emaillenr sein muss oder beider nicht entbehren kann. Wir ünden 
daher in der Schweiz diese Kunstzweige gegenseitig sich fördern und an einander anlehnen. 
Wenn man die Ornameutatrion der Taschenuhren so im Ganzen überschlägt, so wird 
mm den Charakter grosser Willkür nicht übersehen können. Der Künstler denkt im All- 
gemeinen wenig an die Form seines Geräthes, sondern benützt die Rückseite eben als eine 
Fläche, auf der man sich mit gravirten Linien, mit allerlei Malereien und Ornamenten 
nach Belieben ergehen kann, wie man denn z. B. für das Schildchen in der Mitte, das 
üir Buchstaben reservirt bleibt, regelmässig eine unsymmetrische barocke Form gewählt 
findet. 
Was von den Uhren, das gilt im Allgemeinen von den Bijouterien dieser Schweizer 
Goldschmiede. In ihrer willkürlichen, von Laune und Phantasie abhängigen Weise bieten
	        
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