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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1867 / 25)

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Das ist der Standpunkt, von dem aus man die Exposition der modernen venezianischen 
Gläser Salvistfs und seiner Genossen beurtheilen muss. Es wa.r gewiss ein Wagniss, bei 
dem hohen Standpunkt, den die Krystallglasfabrication gegenwärtig eingenommen hat, 
das geblasene Glas wieder in Aufnahme bringen zu wollen, und es setzt ein eben so 
gresses Vertrauen in den Kunstsinn der Gegenwart, wie in die Geschicklichkeit der Ar- 
beiter voraus, und welche Mühen, welche Beharrlichkeit müssen vorausgegangen sein, um 
die bisherigen mechanischen Arbeiter in Künstler umzuwandeln! Der kühne Wurf, der, 
wir sind fest überzeugt, zwanzig Jahre früher in's Wasser gefallen wäre, scheint gelungen 
zu sein, sowohl was die Vollendung der Arbeiten betridt, die wir auf der Ausstellung 
sehen, wie in Bezug auf die geschäftliche Seite, die allein die Zukunft verbürgen kann. 
Diese neuen Gläser haben das Interesse der Welt erregt und die vorhandenen Krllfte 
können kaum noch den Anforderungen genügen. 
Wollten wir die venezianischen Neuerungen auf dem Gebiete der Glasindustria weiter 
verfolgen, so müssten wir der verschrnolzenen Stabmosaik, des Glasaventurin u. s. w. ge- 
denken; wir erwähnen aber nur noch Salviati's Versuche, die mittelalterlichen, zu Glas- 
geniülden verwendeten Gläser in allen ihren Eigenthümlichkeiten wieder zu schaden, Ver- 
suche, die von unseren Gothikern, den Architekten wie den Malern, vollständig anerkannt 
worden sind. Diese Eigenthümlichkeit besteht nicht blos in der Mannigfaltigkeit und Satt- 
heit der Töne, sondern auch darin, dass die Gläser bei aller farbigen Transparenz doch 
bis zu einem gewissen Grad opak sind, was man bisher nicht hat erreichen können, ohne 
die Farben zu trüben. 
Wie auf dem Gebiete der Glasindustrie, so müssen wir auch in der Goldschmiede- 
kunst die Italiener als kühne Neuerer anerkennen, richtiger als Erneuerer, indem sie auch 
hier nur auf ihre eigenen Kunsttraditionen zurückgegangen sind. Der Schritt, den sie hier 
macht haben, ist die Wiederaufnahme der antiken, sogenannten etruskiechen Schmuck- 
arbeiten, welche zuerst Castellani in Rom copirt, imit.irt und als Vorbilder zu. eigenen 
Compositionen benutzt hat. Der Reiz dieses antiken Scbrnuckes besteht nicht blos in der 
Zeichnung, in der zierlichen Composition der Behänge, der Reifen, Blinder und Fassun- 
gen, sondern auch in der susserordentlichen Feinheit und Vollendung der Arbeit. In beiden 
Beziehungen sind auch heute noch Castellanfs Golddiademe in der italienischen Abthei- 
lung der Ausstellung und seine übrigen kleinen Arbeiten die vorzüglichsten, so viel Nach- 
folger er seitdem auch aller Orten gefunden hat, so dass antikisirte Schmucksrbeiten schon 
fast Mode geworden sind. Insbesondere sind es die Franzosen, welche, seitdem das 
Musec Napoleon mit den Campus-Sammlungen ihnen Vorbilder verschafft hat, mit grosser 
Energie diesen Kunststyl in der Goldschrniedekunst gepflegt haben, freilich mit allerlei 
Zuthaten ihrer eigenen Phantasterei. Es ist auch hier geschehen, wie so oft, dass ihnen 
erst ein Anderer den Weg gezeigt hat, den sie dann mit Geschick und Erfolg anszubeuten 
verstanden. Ueber Paris sind dann diese antiken Schmuckformen auch in die deutschen 
Fabriken gekommen, bis jetzt aber nur noch sparsam imitirt worden. 
Als bekannten Zweiges der italienischen Goldschmiedeknnst wollen wir nur vor- 
übergehend des genuesischen Filigran: gedenken, das, im nationalen Volksschrnucka noch 
viel verwendet, ebenfalls eine ununterbrochene Tradition uralter Zeiten ist. Seine orna- 
mentalen Formen sind bekannt genug und haben namentlich in all' den Gegenständen, die 
zum allgemeinen Verkaufe bestimmt sind, nichts Originelles, nur der Volksschmuck, der 
in reicher Auswahl nach den verschiedenen Provinzen und Gegenden Italiens ausgestellt 
war, bewahrt manche eigenen Formen, die sich wohl verwerthen liessen. Eben so allbe- 
kannt ist eine andere ererbte Eigenthiimlichkeit der italienischen Kunst und Kunstindustrie, 
die Namenschneiderei, die sowohl vom künstlerischen, wie vom geschäftlichen Standpunkte 
aus wohl einst bessere Tage gesehen hat als jetzt, denn einerseits ist sie zu sehr mit der 
Bildhauerei verwicbsen, um nicht jede Steigerung und jedes Sinken der Kunst mitzuiih- 
len, andererseits sind die Liebhaber dafür, wenigstens diesseits der Alpen, gegenwärtig 
Husserst selten. 
Noch ein anderer Zweig der Kunstindustrie, dessen wir zum Schluss gedenken, 
wird in Italien mit grossem Geschick und grossem Schönheitssinn geübt, das ist die Holz- 
schnitzerei für Möbel oder grösseres oder kleineres Kunstgerithe, wie Rahmen, Klstchen 
u. dgl. Zahlreiche Muster dieser Art sind ausgestellt; die griisseren Gegenstände der- 
selben, wie Credenzen, leiden vielleicht an Kolossalitit und Schwere, so dass sie der Be- 
zeichnung Möbel nicht mehr getreu bleiben, dagegen sind die ornamentalen Schnitzereien 
oh von vorzüglicher Schönheit in der Zeichnung, von gleicher Kühnheit im Relief und 
Bravour der Aueüihrung; kleine, mit Relief bedeckte Einsatsstücke sind oft geradezu rei- 
zend an Zierlichkeit und Vollendung. Wenn irgendwo, so liegen freilich gerade auf diesem 
Gebiete der heutigen italienischen Kunstindustrie die herrlichsten Musterbilder in den he- 
rührnten Möbeln der Renaissance vor, von den zarten Flachreliefs der Friihrenaissance an 
bis zu den schweren, edectvollen, oft derb naturalistischen Arbeiten der splteren Venezianer.
	        
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