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zwar um so mehr, je älter sie sind, einen äusserst wohlthnenden, harmo-
nischen Eindruck, und das ist ihre künstlerische Seite, um derentwillen
sie auch von der heutigen Industrie und bei der modernen Geschmacks-
reform Beachtung verdienen. Sie haben sie auch gefunden und die böh-
mischen Glasfabrikanten haben sie reichlich imitirt, und zum Zeichen,
dass diese Gläser Handelsartikel geworden sind, finden wir sie in den
Niederlagen von Paris und London. Aber die modernen Imitationen
stehen leider noch auf dem Standpunkt einer Alterthumscopie, sind alsu
noch unfruchtbar zur Weiterbildung des Geschmacks und haben ausser-
dem gerade die künstlerische Seite, die wohlthuende Harmonie des Colo-
rits, übersehen. Die Copien sind greller in den Farben, hart und bunt
im coloristischen Eindruck. Gerade deswegen empfehlen wir die im
Museum vorhandenen Exemplare, die aus der Schieinitdschen Sammlung
willkommenen Zusatz erhalten haben, und darunter sich auch einige Fla-
schen befinden, der besonderen Aufmerksamkeit der Fabrikanten. Wir
erwähnen an dieser Stelle auch einer anders bemalten Glasarbeit, einer
grossen Schüssel, wie es scheint von hellem venetianischem Glase, welche
die Bemalung auf der unteren Seite trägt und darüber einen Ueberzug
von einer Art Goldiirniss zeigt. Diese Technik scheint aber nicht sehr
solide zu sein, denn sie ist zum grossen Theil hinweggerieben; freilich
datirt die Schüssel schon aus dem 15. Jahrhundert. Etwas besser cr-
halten ist eine andere ähnliche Schüssel, aus dem Besitze des Fürsten
Lobkowitz, mit ganz der gleichen Technik und einer vorzüglichen Ma-
lerei, die offenbar der römischen Schule aus der rafaelischen Epoche
angehört.
Von weit grösserer Bedeutung als die bemalten deutschen Gläser
sind für die Fabrication der Gegenwart die böhmischen geschliffenen
Krystallgläser des 17. und 18. Jahrhunderts, denn die neueste Phase des
Luxusglases wendet alle Vorliebe und alle Kunst ganz dem gleichen Mm
terial und der gleichen Ornamentationsweisc zu, und beide, jene alxböh
mischen Gläser und die modernen, haben dieselben Vorbilder, nämlich
die ächten Krysfallgefasse des 16. und 17. Jahrhunderts mit ihren ele-
ganzen Formen und ihren schönen, überaus kunstvollen eingeschlidenen
Verzierungen. Bei der Kostbarkeit aber und der Seltenheit dieser ächten
Krystallarbeiten gewinnen die böhmischen Nachbildungen in Krystallglas
an erhöhtem Werthe. Zwar stammen sie aus einer Zeit, die auf nichts
weniger als Reinheit der Gefassformen Anspruch machen kann, aber diese
Krystallgläser bilden in Bezug auf Form vielfach eine Ausnahme, sei es,
dass es die Nachwirkung der ächten Krystalle, ihrer Vorbilder, war, oder
sei es, dass die Technik des Schleifens sie vor jenen entarteten Aus-
wüchsen xler Gefassformen, wie sie das Zeitalter Ludwig XIV. und das
Rococo liebten, bewahrte. In jedem Fall zeichnen sich die grosscn ge-
schliffenen Pokale und Becher des 17. und 18. Jahrhunderts und zahl-